Am Ende des Winters
trägt jetzt auch ein Kind von Orbin. Der Stamm beginnt zu wachsen.«
»Ja. Gut.«
»Praheurt und Shatalgit werden bald ihr Zweites bekommen. Sie haben Hresh gebeten, es nach deiner Mutter zu taufen, Lissiminimar, wenn es ein Mädchen wird.«
»Ah. Wird mich freuen, den Namen wieder zu hören«, sagte Koshmar.
Sie fragte sich, wie die Dinge dieser Tage zwischen Torlyri und ihrem Behelmten stehen mochten. Sie wagte nie, sie danach zu fragen. Irgendwie war es ihr gelungen, die Beziehung zu Lakkamai zu ertragen, sogar daß sie mit Lakkamai kopulierte; aber ein Mann wie Lakkamai, der kaum je ein Wort sprach und der innerlich so völlig leer zu sein schien, konnte ja auch kaum eine Bedrohung für Koshmar sein. Nein, zwischen Torlyri und Lakkamai war weiter nichts als körperliche Lust gewesen. Aber diese neue Affäre da, die mit dem Behelmten – diese Munterkeit und Lebenslust, wenn sie und er zusammen waren, ihre Bewegungen, das Leuchten in ihren Augen – und die langen Stunden, die sie drüben in der Beng-Siedlung zubrachte – nein, nein, das war etwas anderes, etwas viel, viel Tieferes.
Ich habe sie an ihn verloren, dachte Koshmar.
Nach einem weiteren Schweigen sagte Torlyri: »Die Beng möchten uns wieder zu einem ihrer Feste einladen, nächste Woche. Ich überbringe hiermit die Aufforderung von Hamok Trei. Sie möchten, daß wir alle kommen; und sie wollen ihre ältesten Weinkrüge kredenzen und die besten ihrer Fleischtiere schlachten. Es gilt, den Ehrentag ihres Gottes Nakhaba zu feiern, der der höchste unter ihren Göttern ist, wie ich glaube.«
»Was kümmert es mich, wie die Beng ihre Götter benennen?« sagte Koshmar scharf. »Ihre Götter existieren nicht. Ihre Götter sind Hirngespinste.«
»Koshmar…«
»Es wird für uns kein gemeinsames Feiern mit den Beng geben, Torlyri!«
»Aber – Koshmar…«
Sie drehte sich abrupt herum und starrte der Opferpriesterin ins Gesicht. Ein Gedanke war ihr plötzlich gekommen, dermaßen überstürzt, daß ihr der Kopf wirbelte davon und sie hastig zu atmen begann. Sie sprach: »Was würdest du dazu sagen, wenn ich dir mitteilte, daß wir in zwei, drei Wochen aus Vengiboneeza fortziehen werden, spätestens in einem Mond?«
»Was?«
»Ja, und deshalb werden wir alle unsere ganze Zeit dafür einsetzen müssen, um mit unseren Vorbereitungen für den Wegzug zurande zu kommen. Wir werden keine Zeit übrig haben für Feste mit den Beng.«
»Wegziehen – aus Vengiboneeza…?«
»Ja. Denn hier wartet auf uns nichts außer Ärger und Unruhe, Torlyri. Das weißt du doch. Ich weiß es. Hresh kam zu mir und sprach: ‚Zieh du hinweg! Zieh fort!’ Ich wollte nichts davon hören. Doch dann erkannten meine Augen die Wahrheit. Und der Weg, den ich gehen muß, wurde klar. Ich fragte mich, was wir tun müßten, um uns zu retten, und die Antwort ward mir – daß wir von diesem Ort hier fortgehen müssen. Hier lauert der Tod, Torlyri. Da, schau! Siehst du, wie der steinerne Saphiräugige uns angrinst? Er lacht über uns. Wir kamen hierher, nur um ein wenig herumzugraben und ein paar nützliche, brauchbare Dinge aus der früheren Welt zu finden, und wir sind hier hängengeblieben – wieviele Jahre sind es nun schon? In einer Stadt, die nie die unsrige war. In einer Stadt, die uns sogar in ihren Steinen verspottet. Und jetzt ist es außerdem noch eine Stadt voller anmaßender Fremdlinge, die lächerliche Kleidung tragen und nichtexistierende Götter anbeten.«
In Torlyris dunklen Augen zitterte Erschrecken. Koshmar sah es und begriff mit einem Gefühl des Elends, daß ihre List erfolgreich gewesen war, daß sie die Wahrheit aus Torlyri hervorgelockt hatte, diese Wahrheit, die sie so gefürchtet hatte, aber auch so verzweifelt zu erfahren genötigt war.
»Sprichst du im Ernst?« stammelte Torlyri.
»Ich lasse den Marschbefehl gerade formulieren und werde ihn sehr bald verkünden. Wir werden alles mitnehmen, was irgend von Wert für uns sein könnte, alle diese seltsamen Gerätschaften, die Hresh und seine Sucher angesammelt haben, und dann ziehen wir davon, in das warme Südland, wie wir es schon vor einem Jahr hätten tun sollen. Harruel hatte recht. In dieser Stadt lauert Giftiges. Er hat mich nicht bewegen können, dies zu erkennen, und darum ist er davongezogen. Nun, Harruel ist ein Hitzkopf, und Harruel ist auch ein Tor; aber in diesem Fall hatte er einen klareren Durchblick als ich. Unsere Zeit in Vengiboneeza ist vorbei, Torlyri.«
Torlyri saß da wie
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