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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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geschehen, wenn die Nacht kommt?« fragte Koshmar.
    Thaggoran zuckte die Achseln. »Schlaf wird kommen in der Nacht. Und dann kommt der Morgen.«
    »Wann?«
    »Wenn die Nacht getan ist«, sagte er.
    In dieser ersten Nacht lagerten sie in einer Senke bei einem dünn dahinrieselnden Bach. Und wie Thaggoran vorhergesagt hatte: Die Arbeiten des Haltmachens, Auspackens und das Anlegen eines Lagerfeuers lenkten den Stamm von seinen ängstlichen Befürchtungen ab. Jedoch hatten sie sich kaum zur Ruhe niedergelassen, als irgendeine Art vielgelenkiger Insekten von der Länge eines Mannsbeines und mit riesigen vorgewölbten gelben Augen und mächtigen grünen Beinen, an deren Spitzen ekelhaft scharfe Klauen saßen, aus niedrigen Hügeln in der Nähe über die Erde zu strömen begannen. Das Licht des Lagerfeuers zog die Geschöpfe an, so schien es, oder aber die Wärme der Flammen. Sie sahen wild aus und häßlich-bösartig, und mit den glänzendroten Kiefern vollführten sie einen scheußlichen schnappenden Lärm. Die Kinder und auch einige der Frauen rannten kreischend vor ihnen davon; aber Koshmar trat hervor und durchbohrte furchtlos eines der Tiere mit einem verachtungsvollen Stoß ihres Speeres. Das Tier hämmerte seine beiden Enden erbärmlich eine Weile auf die Erde, ehe es starr wurde. Die anderen, die gesehen hatten, was ihrem Gefährten geschehen war, krochen ein Dutzend oder mehr Schritte zurück und starrten von dorther dumpf herüber. Und nach einer weiteren Weile wichen sie wieder in ihre Erdlöcher zurück und wurden von da an nicht mehr gesehen.
    »Das sind Grünklauen«, sagte Thaggoran hastig – er hatte den Namen soeben erfunden –, bevor Koshmar ihn fragen konnte. Es war ihm peinlich, daß er die Namen der zwei Spezies nicht kannte, die ihnen als erste Geschöpfe auf ihrem Auszug in die Welt begegneten. Und im ‚Bestiarium’ hatte auch nichts über diese Kreaturen gestanden. Dessen war er sicher.
    Koshmar briet die tote Grünklaue über dem Feuer dieser Nacht, und sie und Harruel und ein paar andere Mutige kosteten von dem Fleisch. Sie gaben an, es besitze keinen besonderen großartigen Eigengeschmack, aber ein paar holten sich dennoch eine zweite Portion. Thaggoran selbst lehnte mit taktvollem Dank seine Zuteilung ab.
    Während der Nacht stellte sich eine weitere ärgerliche Störung ein: kleine rundliche Geschöpfe von der Größe eines menschlichen Daumenpolsters, die sich in gewaltigen Wahnsinnssprüngen vorwärtsbewegten, obwohl sie keine sichtbaren Beine zu haben schienen. Wenn sie auf dem Leib eines Menschen landeten, bohrten sie sich sogleich tiefer in den Pelz und versenkten ihre winzigen Zähnchen in das Fleisch, was eine sensorische Reaktion wie von brennendheißen Kohlen hervorrief. Aus dieser und jener Richtung des Lagers hörte man laute Aufschreie ärgerlichen Unwillens oder von Schmerz, bis schließlich alle wachgeschrieen waren und das Volk sich in einem Kreis versammelte, um sich gegenseitig von dem Ungeziefer zu befreien, wobei sie die Plagetiere zwischen Zeigefinger und Daumen zerquetschten, nachdem sie sie unter einigen Schwierigkeiten aus dem Pelz des Geplagten herausgelöst hatten. Thaggoran bedachte sie mit dem Namen ‚Feuerkletten’. Sie verschwanden mit dem Morgengrauen.
    Der fahle Morgenschein holte Thaggoran aus einem unruhigen Schlaf. Fast schien es ihm, er habe überhaupt nicht geschlafen, aber dennoch konnte er sich an Träume erinnern: Gesichte von Gesichtern, die mitten in der Luft schwebten, eine Frau mit sieben furchtbaren roten Augen… an ein Land, in dem Zähne aus der Erde wuchsen. Er schmerzte am ganzen Körper. Die Sonne – sie sah klein, fest und abweisend aus – lag wie eine unreife Frucht auf dem gezackten Bergkamm im Osten. Er sah weit entfernt Torlyri, die das Morgenopfer darbrachte.
    Kaum einer sprach ein Wort, als sie das Lager abbrachen. Wohin immer er auch blickte, Thaggoran sah nur bleiche, ausdruckslose Gesichter. Alle kämpften sichtlich mit der Kälte, der nachwirkenden Erschöpfung des Marsches vom Vortag, mit der ärgerlichen Schlafstörung durch die Feuerkletten, mit der Unvertrautheit der umgebenden Landschaft. Viele bedrückte die überwältigende Weite der Landschaft. Thaggoran sah, wie sie sich die Hände vor das Gesicht legten, als mühten sie sich, auf diese Weise einen persönlichen Kokon für sich zu schaffen.
    Er selbst fühlte seine Seele bedrückt von dem kahlen, unfruchtbaren Terrain und dem scharfen, beißenden Klima. War dies

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