Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Hügels, von wo aus sie argwöhnisch zu der Marschkolonne herabspähten.
    »Tanzhörner«, sagte er, ohne zu zögern. »Diese Tiere nennt man Tanzhörner.«
    »So sei es denn! Tanzhörner sind sie!«
    Die Dunkelheit verdichtete sich. Der Himmel war nun beinahe schwarz. Thaggoran blickte in die Höhe und sah ein paar Vögel mit weiten Schwingen im Dämmerlicht nach Osten fliegen, doch sie flogen zu weit droben, hoch über ihm, als daß er auch nur den Versuch einer Identifizierung hätte wagen können. Er stand da und starrte empor, und er malte sich aus, wie es sein mußte, wenn er selbst da so hoch droben dahinschwebte, mit nichts außer der Luft unter sich; für eine kurze Weile war dieser Gedanke erheiternd und erhebend, dann verwandelte er sich in Entsetzen, und er spürte in sich einen würgenden, ekligen Schwindel aufsteigen, der ihn fast hätte zu Boden stürzen lassen. Er atmete tief und wartete, daß es vorbeigehen möge. Dann hockte er sich nieder, grub die Knöchel seiner Hände in die trockene Festigkeit des sandigen Bodens, beugte sich vor und preßte sein ganzes Körpergewicht gegen die Erde. Sie trug und hielt ihn, genau wie es vordem der Boden des Kokons getan hatte. Das war tröstlich und beruhigend. Nach einer Weile erhob er sich und schritt weiter.
    In der sich verdichtenden Schwärze begannen scharfe helle brennende Lichtpunkte aufzutauchen. Hresh hatte sich zu ihm vorgeschlichen und fragte, was das sei.
    »Das sind die Sterne«, sagte Thaggoran.
    »Was macht sie so hell? Brennen sie? Dann muß das aber ein sehr kühles Feuer sein.«
    »Nein«, antwortete Thaggoran, »ein sehr feuriges Feuer, ein rasendes Feuer wie das Feuer der Sonne. Denn, Hresh, auch sie sind Sonnen. Wie die große Sonne, die Yissou in den Taghimmel gesetzt hat, um die Welt zu wärmen.«
    »Die Sonne ist viel größer als die da. Und viel, viel heißer.«
    »Aber nur, weil sie uns näher ist. Glaub mir Sohn: Was du da siehst, das sind feurige Kugeln, die im Himmel hängen.«
    »Aha. Kugeln aus Feuer. Und sie sind sehr weit weg?«
    »So weit weg, daß der kühnste Krieger bis an sein Lebensende laufen müßte, um nur den allernächsten von ihnen zu erreichen.«
    »Aha«, sagte Hresh. »Aha.« Und er stand da und starrte lange zu diesen – Sternen hinauf. Auch andere hatten innegehalten und beobachteten die verwirrenden flimmernden Lichterspitzen, die in immer größerer Zahl über dem Firmament auftauchten. Thaggoran verspürte ein Frösteln über seinen Leib laufen, und es kam nicht vom Abendwind. Er schaute das Himmelsfirmament voller Sonnen, und er wußte, es waren Welten um alle diese Sonnen angeordnet, und er verspürte das Verlangen, auf die Knie zu fallen und mit seiner Stirn die Erde zu berühren, zum Zeichen, daß er erkannt habe, wie winzig er sei und wie gewaltig die Götter, die das Volk in diese maßlose Welt herausgeführt hatten, diese Welt hier, die nur ein Sandkörnchen in der Unermeßlichkeit des Universums war.
    »Da, schaut!« sagte einer. »Was ist denn das?«
    »Ihr Götter!« schrie Harruel. »Ein Schwert im Himmel!«
    Und wirklich, es erschien nun etwas Neues – eine blendendweiße Sichelklinge aus Licht, eine Sichel aus Eis glitt über den fernen Berg in ihr Gesichtsfeld. Ringsum lagen alle vom Stamm auf den Knien, brabbelten, stammelten verzweifelte Opfergebete zu dem großen schweigenden schwebenden Ding empor, das in kaltem blau weißen Schein über ihnen glühte.
    »Der Mond!« rief Thaggoran. »Das ist der Mond!«
    »Der Mond ist rund wie ein Ball, hast du uns jedenfalls immer gesagt«, protestierte Boldirinthe.
    »Aber er wechselt«, erklärte Thaggoran. »Manchmal ist er so wie jetzt, und manchmal ist sein Gesicht eben runder.«
    »Mueri! Ich spüre das Licht des Mondes auf meiner Haut!« jammerte einer der Männer. »Werde ich zu Eis erstarren, Thaggoran? Was wird geschehen? Was wird es mit mir machen? Oooh, Mueri-Friit-Yissou!«
    »Ihr braucht euch nicht zu fürchten«, sagte Thaggoran. Doch er selbst zitterte nun gleichfalls. So vieles hier ist so fremd, dachte er. Wir sind in eine andere Welt eingetreten. Und wir stehen hier nackt unter diesen Sternen und diesem Mond, und wir wissen nichts, auch ich nicht, nicht einmal ich weiß etwas, und alle Dinge sind neu, und alle Dinge sind furchtbar.
    Er trat zu Koshmar. »Wir sollten jetzt das Lager aufschlagen«, sagte er. »Es ist zu dunkel, um weiterzumarschieren. Und dann haben sie etwas zu tun, während die Nacht über uns kommt.«
    »Was wird

Weitere Kostenlose Bücher