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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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denn wirklich der Neue Frühling? Oder hatten sie ihr kleines Nest im Berg zu früh verlassen und waren vorzeitig aufgebrochen in eine unwirtliche Winterszeit und in den sicheren Tod? Vielleicht sollten sie das ‚Buch der Unseligen Morgenröte’ oder das ‚Buch des Kalten Erwachens’ noch einmal ganz neu schreiben müssen.
    Die Schimmersteine hatten dazu keine eindeutige Antwort geliefert. Seine Weissagungsversuche hatten in Zweideutigkeiten und Ungewißheit geendet, wie dies bei derartigen Unterfangen ja oft der Fall ist. »Ihr müßt hinausziehen«, hatten die Steine ihm befohlen, aber soviel hatte Thaggoran auch bereits selbst gewußt: denn hatten sich die Eisfresser nicht praktisch schon bis zu ihnen durchgefressen? Andererseits aber hatten die Steine auch nicht geweissagt daß sie in Glückseligkeit ausziehen würden, noch auch, daß dies der rechte Zeitpunkt sei.
    Er entfernte sich von den anderen und schrieb für einige Zeit an der Chronik. Während er an der offenen Lade kauerte, die Hände über dem Buch, trat Hresh zu ihm, doch der Knabe stand nur da und schwieg, als fürchte er, ihn zu stören. Als Thaggoran geendet hatte, blickte er auf und sagte: »Nun? Möchtest du auch gern etwas auf diese Blätter schreiben, Knabe?«
    Hresh lächelte ihm ins Gesicht. »Wenn ich das nur könnte.«
    »Oh, ich weiß wohl, daß du schreiben kannst.«
    »Aber nicht in deine Chronik, Thaggoran. Ich trau mich nicht, die Chronik zu berühren.«
    Thaggoran sagte lachend: »Du klingst so fromm, Knabe.«
    »Tu ich das?«
    »Aber ich lasse mich trotzdem nicht täuschen.«
    »Nein«, sagte Hresh. »Ich möchte nicht gern den Chroniken Schaden zufügen, indem ich versuche, etwas hineinzuschreiben. Ich könnte ja etwas Dummes niederschreiben, und dann würde man in all den kommenden Jahren lesen, was ich geschrieben habe, und sie könnten sagen: Der Narr Hresh hat diesen Blödsinn da verfaßt. Allerdings würde ich gern die Chroniken lesen können.«
    »Ich lese sie dem Volk doch jede Woche vor.«
    »Ja. Das weiß ich. Aber ich möchte sie gern für mich allein lesen. Alles, auch das in den ältesten Büchern. Ich will mehr über den Kokon wissen, wie er erbaut wurde und wer ihn erbaut hat.«
    »Der Herr Fanigole erbaute unseren Kokon«, sagte Thaggoran. »Mit Balilirion und der Herrin Theel. Aber das weißt du doch bereits.«
    »Ja. Aber wer waren sie? Das sind doch bloß Namen.«
    »Das waren die URALTEN«, sagte Thaggoran. »Gar gewaltig waren sie und groß.«
    »Saphiräugige – waren sie das?«
    Thaggoran warf Hresh einen seltsamen Blick zu. »Wie kommst du denn auf so was? Du weißt doch, daß alle Saphiraugen starben, als der Lange Winter begann. Herr Fanigole und Balilirion und die Herrin Theel waren Leute von unserm Blut. Das heißt, sie waren Menschen, darin stimmen alle Texte überein. Aber sie waren die größten aller Helden, diese drei: Als das Entsetzen kam, als die Todeskälte einsetzte, bewahrten sie allein die Herzensgelassenheit und führten uns in den Schutzraum.« Er pochte auf die Lade mit den Chronikbänden. »Das steht alles hier drin niedergeschrieben, da in diesen Büchern.«
    »Ich möchte diese Bücher gern einmal lesen«, wiederholte Hresh.
    »Ich glaube, du wirst die Möglichkeit dazu bekommen«, antwortete Thaggoran.
    Graue Nebelschwaden wehten auf sie zu. Thaggoran machte sich daran, die heiligen Gegenstände wegzupacken. Seine Finger waren taub und steif vor Kälte und fuhren unbeholfen über die Schlösser und Siegel der Lade. Nach einiger Zeit winkte er mit einer ungeduldigen Bewegung Hresh zu Hilfe und zeigte dem Knaben, was er zu tun habe. Gemeinsam verschlossen sie den Kasten, und dann legte Thaggoran die aufgesprungenen Hände auf den Deckel, als könne er sich an dem Inhalt darunter wärmen.
    Hresh fragte: »Werden wir je in den Kokon zurückkehren, Thaggoran?«
    Und wieder blickte Thaggoran ihn verwirrt und prüfend an. »Wir haben den Kokon für immer verlassen, Knabe. Wir müssen vorwärts gehen, bis wir gefunden haben, was zu finden uns bestimmt wurde.«
    »Und was ist das?«
    »Das, was wir benötigen, um über die Welt zu herrschen«, sagte Thaggoran. »So, wie es geschrieben steht im Buche des Weges. Diese Dinge erwarten uns da draußen in den Trümmern der Großen Welt.«
    »Aber – was ist, wenn das alles gar nicht wahr ist. Neuer Frühling? Sieh doch bloß, wie kalt es ist! Fragst du dich denn gar nicht, ob wir vielleicht irgendwie einen Fehler gemacht und zu früh

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