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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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herauf. Es war gewiß die erstaunlichste Epoche aller Äonen, der Gipfelpunkt der verschwundenen Pracht der Erde, und die ganze Welt war ein einziges Freudenfest, damals. Beim bloßen Gedanken, an dies bebte er: die Vielzahl an Völkern, die vielen Rassen, die schimmernden Städte, die Schiffe, die zwischen den Sternen reisten. Er wußte kaum, wo er ansetzen sollte, um dies alles in sich aufzunehmen und zu begreifen. Er fühlte, wie das Wissen von diesen Dingen – so bruchstückhaft es sein mochte – in ihm sich ausbreitete und aufquoll, so daß er manchmal fürchtete, daran zu ersticken. Dann übersprang er Teile und las die Berichte über den tragischen Untergang der Großen Welt, als die Todessterne herabzustürzen begannen, genau wie es vor so langer Zeit vorhergesagt worden war. Warum hatten sie zugelassen, daß dies geschah, sie, diese Völker, die zu solch großer Herrlichkeit aufgestiegen waren? Hatten sie die niederfallenden Sterne nicht weglenken können? Das mußte doch gewiß in ihrer Macht gelegen haben, da sie ja auch Herrscher über alle anderen Dinge waren. Aber sie taten nichts! Nirgendwo war etwas erwähnt, nur das Nahen des drohenden Untergangs selbst. Damals gingen die Saphiräugigen zugrunde, denn ihr Blut war kalt und sie konnten Frostwetter nicht ertragen; und die Vegetalischen starben gleichfalls, da sie aus Pflanzenzellen waren, konnten auch sie den Frost nicht überleben. Hresh las den heroischen Bericht über den Freitod der Mechanischen, die nicht in die Neue Zeit als Überlebende eingehen wollten, obschon es ihnen ja möglich gewesen wäre. Er las und las und schlang alles in großen Schlucken in sich hinein, die ihn trunken machten.
     Auch die Schimmersteine holte er aus der Lade, legte sie zu verschiedenen Mustern aus, streichelte und drückte sie und murmelte über ihnen, in der Hoffnung, Weistum aus ihnen zu gewinnen. Aber sie blieben stumm. Ihm erschienen sie nur wie dunkelschimmernde Steine. So sehr er sich mühte, sie verrieten ihm nichts. Betrübt erkannte er, daß das Volk künftig ohne ihre Weisung würde leben müssen. Das Geheimnis, wie die Schimmersteine zum Sprechen zu bringen seien, war dem Stamm mit Thaggorans Tod für immer verloren gegangen.
    Der Barak Dayir, der ‚Wunderstein’, war der einzige Gegenstand in der Lade, den Hresh überhaupt nicht zu untersuchen wagte. Er ließ ihn unangetastet in dem grünen Samtbeutel ruhen, ja er wagte es nicht einmal, diesen zu berühren. Der Stein würde – das wußte er – Pforten zu Wissensbereichen auftun, wie sie ihm nicht einmal durch das Lesen kundwerden konnten; aber er schreckte davor zurück, zuviel zu früh tun zu wollen. Der Wunderstein war Sternenstoff, so hatte Thaggoran ihm gesagt. Und er hatte auch gesagt, daß der Stein Gefahren in sich berge. Hresh zog es vor abzuwarten, bis er auf einen Hinweis für den sicheren Gebrauch gestoßen sein würde. Insgeheim und ohne daß andere etwas davon ahnten, pries er sich selbst eifrig für diesen singulären Akt klugen Verzichts, der seinem Wesen so vollkommen fremd war, und dann lachte er sich selbst wegen dieses widersinnigen Stolzes aus.
    Den übrigen Stammesangehörigen bot die Erhöhung Hreshs in den Stand des Chronisten vor allem Anlaß zu Belustigung. Sie hatten gehört, wie Koshmar ihn ernannt hatte, und sie konnten ihn tagtäglich beim Bagagetrain herumpottern sehen, in dem die Lade mit den Chroniken mitgeführt wurde; aber es bereitete ihnen einige Schwierigkeiten, die Tatsache zu begreifen, daß der Stammeschronist nunmehr ein kleiner minderjähriger Knabe sein sollte. Auch Mutter Minbain lachte und fragte ihn: »Also soll ich dich jetzt als Alter Mann anreden?«
    »Es ist doch bloß ein Titel, Mutter. Mir ist es gleichgültig, ob man ihn benutzt, oder nicht.«
    »Aber du bist der Chronist? So richtig wirklich der Chronist?«
    »Du weißt doch, daß ich es bin«, antwortete Hresh.
    Minbain preßte sich die Hände auf die Brüste. Unter schütterndem Gelächter keuchte sie scheinbar liebevoll, aber nicht eben freundlich: »Wie konnte ein so sonderbarer Wechselbalg wie du aus meinem Leib kommen? Wieso? Wie?«
    Torlyri war ihm gegenüber netter, denn sie sagte ihm, man habe mit ihm die rechte Wahl getroffen, denn es sei ja offensichtlich, daß er zum Chronisten geboren sei; aber Torlyri war schließlich zu allen immer freundlich. Und Orbin, der sein Spielgefährte und Freund gewesen war, schaute ihn jetzt an, als sei ihm plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen. Die

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