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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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könnten Sie es abstreiten, doch was glauben Sie, wie viele Überwachungskameras uns filmen, seitdem wir uns unterhalten? Ich bin sogar sicher, dass unsere kleine Auseinandersetzung nicht unbemerkt geblieben ist. Wie ich bereits erwähnte, dieses Übermaß an Technologie ist ein wahrer Fluch.«
    »Warum tun Sie das, Ivory?«
    »Eben weil Ihre Freunde tatsächlich in der Lage wären, einstimmig einen derart idiotischen Vorschlag wie den eben erwähnten
anzunehmen. Und es kommt nicht in Frage, dass irgendjemand die Hand gegen unsere beiden Turteltauben erhebt, die vielleicht jene Recherchen in Angriff nehmen, vor denen Sie sich bislang so gefürchtet haben.«
    »Das ist genau das, was wir seit der Entdeckung des ersten Objekts zu verhindern suchen.«
    »Jetzt gibt es ein zweites, und es wird nicht das letzte sein. Also werden wir beide unser Möglichstes tun, damit unsere Schützlinge aktiv werden. Ist es nicht das Primat des Wissens, das Sie antreibt?«
    »Das mag auf Sie zutreffen, Ivory, nicht auf mich.«
    »Kommen Sie, Lorenzo, das glaubt Ihnen kein Mensch, nicht einmal in dem so respektablen Komitee.«
    »Wenn nun diese beiden Turteltauben, wie Sie sie nennen, die Tragweite ihrer Entdeckung ermessen und publik machen würden? Sind Sie sich der Gefahr bewusst, die das dann für die Welt bedeuten würde?«
    »Welche Welt meinen Sie? Die, in der die Verantwortlichen der mächtigsten Nationen nicht mehr zusammentreffen können, ohne Unruhen auszulösen? Die, in der die Wälder sterben, während das Eis der Arktis schmilzt wie der Schnee in der Sonne? Die, in der die Mehrzahl der Menschen vor Hunger und Durst sterben, während eine Minderzahl beim Klang der Wall-Street-Glocke zusammenzuckt? Die, die von fanatischen Splittergruppen terrorisiert wird, die im Namen imaginärer Götter töten? Welche dieser Welten macht Ihnen am meisten Angst?«
    »Sie sind verrückt geworden, Ivory!«
    »Nein, ich will die Wahrheit erfahren. Deshalb habt ihr mich in den Ruhestand versetzt. Um nicht mehr in den Spiegel schauen zu müssen. Sie glauben, ein ehrenwerter Mann zu sein, weil Sie sonntags in die Kirche gehen, samstags aber in den Puff.«

    »Halten Sie sich etwa für einen Heiligen?«
    »Heilige gibt es nicht, mein armer Freund. Nur kriege ich schon seit Langem keinen mehr hoch, was mich vor einer gewissen Heuchelei schützt.«
    Lorenzo sah Ivory lange an. Dann stellte er sein Glas auf den Tresen und erhob sich.
    »Ich werde Sie als Ersten über alle Neuigkeiten informieren. Ich gebe Ihnen einen Tag Vorsprung, mehr nicht. Sie können das Angebot annehmen oder nicht. Damit sind meine Schulden bei Ihnen beglichen. Das ist nicht zu teuer bezahlt, und beim Poker gibt es keinen Trumpf.«
    Lorenzo wandte sich ab und ging. Ivory sah erneut auf die Wanduhr über der Bar. Die Maschine nach Amsterdam ging in fünfundvierzig Minuten. Er hatte keine Zeit zu verlieren.

Omo-Tal
    Keira schlief noch. Ich stand so leise wie möglich auf und verließ das Zelt. Im Lager herrschte noch Stille. Ich lief bis zum Hügel. Der Fluss unten war in leichten Nebel gehüllt. Ein paar Fischer machten sich schon an ihren Pirogen zu schaffen.
    »Schön, nicht wahr?«, sagte Keira hinter mir.
    »Du hattest heute Nacht Albträume«, erwiderte ich und drehte mich zu ihr um. »Du hast dich hin- und hergewälzt und kleine Schreie ausgestoßen.«
    »Ich kann mich an nichts erinnern. Vielleicht habe ich von unserem Gespräch gestern Abend geträumt.«
    »Keira, könntest du mich an den Ort führen, wo dein Anhänger gefunden wurde?«
    »Wozu soll das gut sein?«
    »Ich brauche die genaue Position. Ich habe so eine Vorahnung.«
    »Ich habe meinen Tee noch nicht getrunken. Komm mit, ich habe Hunger. Wir sprechen beim Frühstück darüber.«
    Zurück im Zelt, zog ich ein frisches Hemd an und prüfte in meiner Reisetasche, ob ich alles benötigte Material dabeihatte. Keiras Anhänger hatte uns ein Stück des Himmels enthüllt, das jedoch nicht mit dem unserer Zeit übereinstimmte. Ich musste wissen, wo genau er von seinem letzten Benutzer zurückgelassen worden war. Das Sternenzelt, das man in klaren Nächten beobachten kann, ändert sich von Tag zu Tag. Im März sieht der Himmel nicht so aus wie im Oktober. Mit Hilfe einer
Reihe von Berechnungen würde ich vielleicht herausfinden, zu welcher Jahreszeit vor vierhundert Millionen Jahren man den Himmel festgehalten hatte.
    »Laut Harrys Beschreibung wurde er auf einer kleinen Insel mitten im Turkana-See gefunden, das heißt

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