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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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im Krater eines alten erloschenen Vulkans. Dort gab es fruchtbaren Schlamm, den die Bauern bisweilen holen, um ihre Äcker zu düngen. Bei einem Besuch mit seinem Vater hat er ihn dort entdeckt.«
    »Wenn du deinen Freund nicht finden kannst, ist sein Vater vielleicht hier in der Nähe.«
    »Harry ist ein Kind, Adrian. Er hat Vater und Mutter verloren.«
    Keira muss mir meine Verblüffung angemerkt haben, denn sie sah mich kopfschüttelnd an.
    »Du hattest doch wohl nicht gedacht, er und ich …«
    »Ich bin davon ausgegangen, dass dein Harry ein kleines bisschen älter ist, mehr nicht.«
    »Genaueres über den Fundort kann ich dir nicht sagen.«
    »Auf ein paar Meter kommt es mir nicht an. Begleitest du mich dorthin?«
    »Nein, ganz gewiss nicht. Hin- und Rückfahrt nehmen mindestens zwei Tage in Anspruch, und ich kann mein Team nicht im Stich lassen. Ich habe Verpflichtungen hier.«
    »Und wenn du dir den Knöchel verstauchst, bricht dann alles hier zusammen?«
    »Ich würde mir eine Schiene anbringen lassen und weitermachen.«
    »Niemand ist unentbehrlich.«
    »Meine Arbeit ist für mich unentbehrlich, wenn du es lieber so sehen willst. Wir haben einen Jeep, ich habe aus meiner letzten Erfahrung gelernt. Du kannst ihn haben, und im Dorf finden wir sicher jemanden, der dich dorthin führt. Wenn du
gleich losfährst, bist du am späten Nachmittag am See. Es ist gar nicht so weit, doch die Piste ist fast unpassierbar. Du musst ganz langsam fahren. Dann musst du ein Boot finden, um zur Insel zu gelangen. Ich weiß nicht, wie viele Stunden du dort verbringen willst, aber wenn du dich beeilst, könntest du morgen Abend zurück sein. Das ließe dir genug Zeit, um dein Flugzeug in Addis Abeba zu erwischen.«
    »Dann hätten wir uns aber nicht viel gesehen.«
    »Dafür kann keiner etwas, nachdem du ja unbedingt deine Insel aufsuchen musst.«
    Ich verbarg meine üble Laune, so gut ich konnte, und dankte Keira für den Wagen. Sie begleitete mich ins Dorf und beriet sich mit dem Stammesoberhaupt. Zwanzig Minuten später kam sie mit ihm zurück. Er hatte lange keine Gelegenheit mehr gehabt, den Turkana-See zu besuchen. In seinem Alter wäre die Fahrt auf dem Fluss zu gefährlich, und er war erfreut, in einem Auto dorthin mitgenommen zu werden. Er versprach mir, mich ans Ufer gleich gegenüber der Vulkaninsel zu führen. Sobald wir dort wären, würde er leicht eine Piroge für uns finden. Er müsste nur schnell ein paar Sachen zusammenpacken, dann könnte die Reise losgehen.
     
    Keira stieg aus dem Jeep und lehnte sich an die Fahrertür.
    »Komm bald zurück, damit wir noch etwas Zeit für uns haben, bevor du fliegst. Ich hoffe, du findest, was du suchst.«
    Was ich hier gesucht hatte, befand sich direkt vor meinen Augen, doch es sollte noch ein Weilchen dauern, bis ich es mir eingestehen würde. Der Moment des Aufbruchs war gekommen. Das Getriebe knarrte, Keira riet mir, die Kupplung ganz durchzutreten. Als ich zurücksetzte, kam sie hinterhergerannt. Auf meiner Höhe angelangt, rief sie:
    »Könntest du deine Abfahrt nur kurz verschieben?«

    »Ja, natürlich, warum?«
    »Damit ich Eric Bescheid gebe, dass er die Ausgrabungen bis morgen Abend übernimmt, und schnell meinen Rucksack packen kann. Du bringst mich wirklich zu den verrücktesten Dingen.«
    Der Dorfälteste war auf der Rückbank eingeschlafen und merkte zunächst gar nicht, dass Keira mit eingestiegen war.
    »Nehmen wir ihn trotzdem mit?«, fragte ich.
    »Es wäre wohl nicht die feine Art, ihn einfach am Straßenrand rauszuwerfen.«
    »Und außerdem dient er dir als Anstandswauwau«, fügte ich hinzu.
    Keira versetzte mir einen Rippenstoß und machte mir ein Zeichen loszufahren. Sie hatte nicht übertrieben, die Piste war eine einzige Folge von Schlaglöchern. Ich klammerte mich am Lenkrad fest und konzentrierte mich darauf, nicht in einer der tiefen Fahrrinnen stecken zu bleiben. Nach einer Stunde hatten wir kaum zehn Kilometer zurückgelegt. Bei diesem Tempo würden wir unser Ziel niemals rechtzeitig erreichen.
    Ein besonders heftiger Ruck weckte unseren Fahrgast. Der Dorfälteste räkelte sich und wies uns in einer Biegung einen kaum sichtbaren Weg, und seinen Gesten entnahm ich, dass er eine Abkürzung nehmen wollte. Keira bat mich, seinen Anweisungen zu folgen. Der Pfad war kaum zu erkennen, wir fuhren einen Hang hinauf. Plötzlich tat sich vor uns eine weite Ebene auf, die im Licht der Sonne schimmerte. Der Boden unter unseren Rädern wurde gleichmäßiger,

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