Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
hatte ohnehin einen sehr guten Tag – dem Computer zufolge lagen wir bei fünf Millionen plus. Die Tatsache, dass es nur viereinviertel Millionen hätten sein dürfen, ging in der Euphorie unter.
Zwei Tage später kam der Assistent und legte mir eine Aufstellung unserer noch offenen Transaktionen vor. Ich sah sofort, was los war, und hätte ihn normalerweise angewiesen, das zu korrigieren, und die Berichtigung unserer Gewinne mit einem Achselzucken hingenommen.
Aber es war kein normaler Tag. Ich hatte mich gerade ausgiebig mit einem Bürokraten aus dem Risikomanagement herumgestritten, der nicht begriff, warum meine Gruppe die pro Tag festgelegten Limits immer wieder überschritt. Ich hatte versucht, ihm klarzumachen, dass das nun mal zu unserem Geschäft gehörte. Oft wollten die Kunden plötzlich alle zur selben Zeit in dieselbe Richtung. Wir warteten den richtigen Zeitpunkt ab und schlugen dann zu – manchmal ging die Rechnung auf, in letzter Zeit aber längst nicht immer.Hätte man aber ohnehin gestresste Händler dazu angehalten, mitten im Getümmel ständig auf der Hut zu sein, hätte man mit Sicherheit nur erreicht, dass sie gar nichts mehr taten. Dann hätten sie sich nur noch an den Risiko-Zielen orientiert und nicht mehr an den Gewinnvorgaben. Der Bürokrat hätte das gut gefunden.
Ich nahm dem Assistenten die Aufstellung aus der Hand und überflog die Seite. Der Fehler stach heraus wie ein rosa Elefant in der Antarktis. Warum war das niemandem aufgefallen?
Ich checkte den Computer – die Händler am Trading Desk hatten einen schlechten Tag. Einen furchtbaren Tag. Sie hatten ein Minus von drei Millionen gemacht. Hätte ich den Fehler korrigieren lassen, wären wir um fast vier Millionen abgerutscht. Da machte ich einen zweiten Fehler.
»Warum hältst du mir das unter die Nase, Joseph?« Joseph sagte ich nur, wenn ich sauer war auf ihn, sonst hieß er Joe, oder Joey, wenn er etwas besonders gut gemacht hatte.
Er zuckte zusammen. »Da muss einfach Ihr Name drunter, Jason.«
»Ist was unklar? Meinst du, mir müsste hier was auffallen?«
Er zögerte. »Nein, Sir.«
»Gut.« Ich krakelte eine Unterschrift hin und schickte ihn weg.
Dann verließ ich den Handelsraum und verkroch mich für die nächste Stunde in meinem Büro, wo ich auf meinem Bildschirm verfolgte, wie sich die roten Zahlen anhäuften. Die Gruppe ging richtig baden.
Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch die feste Absicht, den Fehler zu korrigieren, sobald wir wieder einen guten Tag hatten. In den vergangenen Jahren hatten wir weitaus mehr gute als schlechte Tage gehabt. Das war einfach eine Durststrecke.Ein plötzlicher Kurseinbruch. Der Markt hatte sich nach der Einführung des Euro massiv verändert. Wir würden uns wieder einschwingen und unseren Rhythmus wiederfinden. Und wenn wir das geschafft hatten, würde ich diese Korrektur durchziehen.
Das war der Plan.
Beim nächsten Mal war es kein Versehen. Wieder hatte ich ein ätzendes Meeting hinter mir. Dieser kleine Sturkopf aus dem Risikomanagement hatte seine Bedenken innerhalb der Hierarchie an die nächste Ebene weitergereicht. Jetzt hatte ich einem Haufen Nadelstreifen aus dem Risikomanagement-Ausschuss erklären müssen, was es mit den »Diskrepanzen« auf sich hatte. Diese alten Knacker hatten seit der Zeit, als Nixon die Golddeckung des Dollar aufgab, mit gar nichts mehr gehandelt. Sie kapierten es nicht. Die Märkte hatten sich verändert. Sie hätten allesamt besser auf dem Golfplatz bleiben sollen, als mir meine kostbare Zeit zu rauben.
Das Unglaubliche war, dass sie mich nicht über einen Dreiviertelmillion-Dollar-Fehler ausquetschten – den ich schon zum zweiten Mal abgezeichnet hatte –, sondern über die Tatsache, dass meine zwölf Trader – nicht erst seit Neuestem – täglich den Risikorahmen überschritten, wenn auch immer nur kurzfristig. Höchstens für eine Stunde. Keine große Sache also. In meinen Augen.
Dieser intuitive Umgang mit dem Risiko hatte für mich immer gut funktioniert. Du gehst mit, solange dein Bauchgefühl sagt, dass es richtig ist. Wenn es anfängt zu stinken, steig aus. Und setz nicht mehr aufs Spiel, als du innerhalb eines Tages wieder reinholen kannst. Wenn ein junger Händler also noch nie mehr als hunderttausend an einem Tag gemacht hat, lässt du ihn nichts tun, was ihm innerhalb eines Tages mehr abverlangen könnte als diese Hunderttausend. DieseHerangehensweise mag manchmal schwer zu beziffern sein, und der Chef muss seine Leute im
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