Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
einsamer und fremder hervorgingen,aber doch wenigstens erschöpft und in der Lage einzuschlafen.
Als David mich zu unserem letzten Gespräch in sein Büro bat, hatte ich den Betrug drei Jahre lang durchgezogen. Ich wusste, dass es vorbei war. Die Mannschaft hatte in diesem Zeitraum Gewinne von über einer Milliarde eingefahren – mehr als die Hälfte davon sauber. Ich hatte sogar einige meiner »Fehler« korrigiert und die Verluste durch unsere legitimen Gewinne kaschiert. David hatte bei Vorstandssitzungen mit mir angegeben; die Vertriebler behandelten meine Trader wie Rockstars; ich hatte es in den Weihnachtskartenverteiler des CEO geschafft.
Aber die alten Knacker hatten ganz folgerichtig festgestellt, dass unsere Gruppe vor dem Hintergrund unserer Risikoparameter rein rechnerisch gar nicht so gut dastehen konnte. Die Untersuchung hatten sie nicht deshalb veranlasst, weil sie geahnt hätten, dass ich die Bücher frisierte, um Gewinne zu erzeugen, sondern weil sie argwöhnten, dass ich ihre dämlichen Risikolimits nicht beachtete. Sie beauftragten die Buchhaltung, das zu prüfen. Die Typen mit den Ärmelschonern entdeckten den Schwindel, bekamen es mit der Angst zu tun und verständigten die Börsenaufsicht – die Securities and Exchange Commission, SEC.
Die Dinge nahmen ihren Lauf. Immer wieder wurde ich aufgefordert, mich zu Jahre zurückliegenden Abschlüssen zu äußern. Mein Assistent wurde in die Buchhaltung »versetzt«, allerdings brachte er die meiste Zeit im Konferenzraum im achten Stock zu, wo er mit lauter Typen in schlecht sitzenden grauen Anzügen zusammenhockte. Es war nicht schwer, die Zeichen an der Wand zu lesen – sie kreisten mich ein.
Ich nahm mir einen Anwalt, zahlte ihm einen stattlichen Vorschuss und bot das Haus in Montauk zum Verkauf an. Ichrichtete den Treuhandfonds für den Jungen ein. Angie und ich ließen uns pro forma scheiden, um wenigstens einen Teil unseres Besitzes vor den Bundesbehörden zu retten. Dann wartete ich ab.
Schließlich rief David mich an einem späten Freitagvormittag zu sich.
»Ich will deine Intelligenz nicht beleidigen, indem ich so tue, als wüsstest du nicht, warum du hier bist. Es ist vorbei, Jason.«
Es kommt vor, dass ein Trader sich in ein Verlustgeschäft regelrecht verrennt, dass er viel zu lange unentschlossen darauf wartet, dass es besser wird. Er verliert jegliche Distanz. Kann sich auf nichts anderes mehr konzentrieren als auf dieses eine Geschäft. Es wird zur Obsession. Er leidet körperlich. Irgendwann merkt er, dass er sich so steif bewegt, als seien seine Nervenbahnen plötzlich aus Glas. Muskelkrämpfe und Blähungen sind typische Symptome. Ebenso Kopfschmerzen, Sehstörungen und Schlaflosigkeit.
Wenn es so weit gekommen ist, gibt es nur noch eins – du musst die Konsequenzen tragen. Verkauf die Position, die dir solche Bauchschmerzen verursacht. Nimm den Verlust in Kauf und mach weiter. Je früher der Verlust eintritt, desto geringer fällt er aus. Eine schlechte Position wird nicht besser – sie wird nur älter.
Händler nennen das auch »reihern«, weil man sich davor und danach ähnlich fühlt. So elend einem in dem Augenblick vor dem Sich-Übergeben ist, so erleichtert und befreit fühlt man sich sofort danach. Reihern ist in jedem Fall besser als dagegen ankämpfen.
Ich spürte kalten Schweiß auf dem Rücken, mein Gesicht glühte. Ich schluckte ein paar Mal, um die aufsteigende Übelkeit loszuwerden.
David redete die ganze Zeit weiter. »Die Firma ist bereit,dir einen Rechtsbeistand zu finanzieren, allerdings nur solange deine und unsere Interessen übereinstimmen.«
Mit anderen Worten: Nimm dir einen Anwalt .
»Danke, aber das wird nicht nötig sein. Darum habe ich mich schon gekümmert.« Allmählich sah ich wieder klarer. Schon lange nahm ich zu jedem Mittagessen einen kräftigen Schluck Pepto-Bismol gegen die Magenbeschwerden, doch nun begann der zornige Knoten in mir sich zu lösen. Die Hundert-Pfund-Gewichte, die seit drei Jahren auf meinen Schultern lasteten, verwandelten sich in Schmetterlinge und flogen davon. Es war noch längst nicht vorbei, und im Lauf des folgenden Jahres – während das Gerichtsverfahren über mir schwebte und meine Anwälte verhandelten – sollten die magengeschwür- und herzkasperverdächtigen Symptome noch oft genug auftreten, aber in diesem Moment, in Davids Büro, versetzte das Wissen, endlich aufgeflogen zu sein, mich in eine Art Euphorie.
»Es ist so gut gelaufen, Jason. Wir haben
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