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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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lassen.
    Und dann?, fragte sie sich. Was wird dann?
    Wenn nur Belanglosigkeiten in diesen Briefen standen, konnte sie sich darauf herausreden, dass sie ja bisher auch immer Celias Briefe hatte lesen dürfen. Wenn nicht …
    Darüber wollte sie nicht nachdenken, denn dann wäre der Drang zu groß, diese Briefe zu lesen.
    Es gibt kein Geheimnis, beschloss sie. Es sind nur die Briefe zweier Geschwister, denen nach dem Tod der Eltern nicht viel Familie geblieben ist.
    Ich werde heimfahren und die Briefe auf seinen Schreibtisch legen. Und ich werde vergessen, dass es sie gibt.
     
    Mukami war eine gelehrige und eifrige Schülerin. Sie war so begierig auf das Lesen und Schreiben, dass sie an den Tagen, an denen Audrey sie unterrichtete, schon eine halbe Stunde früher kam, sich auf die Verandastufe hockte und Buchstaben auf ihre Schiefertafel malte. Dabei schob sie die Zungenspitze aus dem Mund und runzelte konzentriert die Stirn.
    Ihr kleines Mädchen ließ sie während der Unterrichtsstunden im Dorf bei einer der anderen Frauen, erzählte Mukami, als Audrey danach fragte.
    Sonst war die junge Frau verschlossen und gab selten etwas von sich preis.
    Schon nach wenigen Wochen konnte sie erste Sätze in der Fibel lesen, und im Februar beherrschte sie das komplette Alphabet. Sie war so wissbegierig, dass Audrey bald schon vor dem Bücherregal im Wohnzimmer stand und darüber nachdachte, welches Buch sie Mukami ausleihen sollte.
    Bei einer dieser Gelegenheiten fiel ihr der Dickens in die Hände.
    Wann war er in dieses Regal gewandert? Vielleicht hatte Kamau oder einer der anderen Boys das Buch irgendwo rumliegen gesehen und es ins Wohnzimmer getragen. Sie schlug das Buch auf und blätterte darin; der Brief lag ganz hinten. Sie hatte ihn damals zugeklebt und «für Matthew» daraufgeschrieben. Was hatte sie sich dabei gedacht? Hatte sie geglaubt, eines Tages werde sie nicht mehr sein, und dann konnte Matthew den Brief finden und erfuhr dann nachträglich ihr Geheimnis?
    Sie fächelte sich mit dem Brief Luft zu und dachte darüber nach.
    Überhaupt: Sie dachte viel zu viel nach. Ständig kreiste sie in Gedanken um ihre Einsamkeit, immer wieder machte sie sich Sorgen. Und ja, allmählich hatte sie auch das Gefühl, wirklich zu vereinsamen.
    «Memsahib?»
    Kinyua.
    «Ich komme», rief sie, doch er war schneller und stand schon da, als sie auf die Veranda trat. «Mukami kann heute nicht kommen», sagte er. «Sie hat Fieber.»
    «Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes.»
    «Sie wird bald wieder gesund. Dann kommt sie wieder. Ich kümmere mich um die Teepflücker und die Faktorei.»
    «Gut.» Audrey war erleichtert. Die Vorstellung, ganz allein für alles verantwortlich zu sein, ängstigte sie noch immer. «Was hat sie denn?», fragte sie.
    Kinyua, der sich bereits halb abgewandt hatte, drehte sich noch einmal um. «Bwana Winston sagte mal, ihr nennt diese Krankheit gelbes Fieber.»
    Gelbfieber.
    Audrey erschauerte. Natürlich hatte Matthew auch sie vor dieser Krankheit gewarnt, die die Stechmücken übertrugen. «Ja», sagte sie. «Kommt es bei deinen Leuten häufig vor?»
    Kinyua wiegte den Kopf. «Manchmal. Einmal im Jahr, zweimal. Je nachdem.»
    «Sind viele andere erkrankt?»
    «Es sind genug krank von uns.»
    Mehr war ihm nicht zu entlocken. Audrey ging ins Haus und rief nach Mary. Sie sollte die Kinder nach Mückenstichen absuchen.
    Ihr war plötzlich ganz flau.
    Wenn jetzt einer von ihnen krank wurde … Sie blieb stehen. Ihre Knie zitterten. Herrje, dachte sie. Ich darf nicht in Panik geraten.
    Wäre Matthew hier, würde er sie beruhigen, dass alles wieder gut wurde. Aber er war nicht hier, und im Kikuyudorf war das Gelbfieber ausgebrochen.

[zur Inhaltsübersicht]
24 . Kapitel
    Am selben Tag wies Audrey die Boys an, die Moskitonetze über den Betten der Kinder ebenso zu kontrollieren wie ihr eigenes. Kamau kam nach einer Stunde und erklärte, alles sei in bester Ordnung, die Memsahib müsse sich keine Sorgen machen.
    Sie ging trotzdem noch mal in das Schlafzimmer der Kinder und sah nach. Erst dann war sie halbwegs beruhigt.
    Von Matthew wusste sie, dass das Gelbfieber von Mücken übertragen wurde. Wenn eine Mücke eine erkrankte Person stach und danach eine gesunde, erkrankte diese.
    An diesem Abend betete sie wie jeden Abend mit Chris. Sie baten den lieben Gott, er möge den Papa in der Ferne beschützen und alle auf The Brashy und den kleinen Bruder und die Soldaten, die für ihr Land kämpften. Anschließend legte sich

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