Am Fuß des träumenden Berges
Mann dich unglücklich gemacht hat», erinnerte Audrey sie sanft.
«Jack war etwas völlig anderes.»
«Ja, weil er verheiratet war, schon klar. Wieso heiratet Benedict dich nicht? Er könnte damit das Gerede ein für alle Mal aus der Welt schaffen. Und niemand würde es wagen, einer Tuttlington zum Vorwurf zu machen, dass ihre Mutter Deutsche ist.»
Das Lächeln gefror auf Fannys Gesicht. «Ich habe seit Monaten nichts mehr von meinen Eltern gehört», sagte sie leise. «Seit Ausbruch des Kriegs, um genau zu sein.»
«Ach, Liebes …» Jetzt tat es Audrey leid, was sie gesagt hatte.
«Weißt du, der Krieg macht uns Frauen so einsam. Die Männer haben es gut. Sie können hinaus in die Welt.»
«In die französischen Schützengräben», warf Audrey trocken ein. Sie musste an John denken. «Wenn du mich fragst, ist das nicht unbedingt der gemütlichste Teil der Welt.»
«Meinetwegen, sie sitzen also in den Schützengräben. Aber sie sind nicht allein! Wir Frauen bleiben zurück. Wir sitzen dort fest, wo uns der Krieg überrascht hat. Kein Schiff verkehrt mehr zwischen Europa und dem Rest der Welt, und wenn es welche gäbe, wäre eine Reise doch zu gefährlich wegen der U-Boote.»
«Du willst doch nicht zurück nach Europa!»
«Nein, natürlich nicht. Aber allein, dass sie uns der Möglichkeit berauben! Und dann dieses Eingesperrtsein! Denn nichts anderes machen sie mit uns. Du hast es gut, du tust einfach, wonach dir der Sinn steht, und jeder hat Verständnis, dass du auf der Plantage bleibst, obwohl sie sich natürlich auch über dich das Maul zerreißen.»
«Tun sie das?», fragte Audrey gleichgültig. Es interessierte sie eigentlich nicht, was die Leute sagten.
«Einige denken, es ist ganz gut, dass du da draußen bleibst. Sie finden, das Weib eines deutschen Offiziers gehöre nicht nach Nairobi.»
Audrey wurde wütend. Betont behutsam setzte sie die Tasse auf die Untertasse. «Ich bin nicht ‹das Weib eines deutschen Offiziers›», erwiderte sie nachdrücklich. «Ich bin mit Matthew verheiratet.»
«Das ist für die da», Fanny nickte zum anderen Salon, der sich irgendwo hinter der Wand befand, «egal.»
Sie nahm aus einem kleinen, silbernen Etui eine Zigarette und Streichhölzer. Dass sie rauchte, war für Audrey neu, aber sie sagte nichts dazu. Der Krieg veränderte die Menschen. Bei manchen brachte er die schlechte Seite zutage. Bei anderen die gute Seite.
Fanny und sie schienen eher ihre schlechten Seiten zu zeigen. Ihre Freundin rauchte und sie … nun, sie schnüffelte dem eigenen Ehemann hinterher.
«Du musst zu uns kommen», flehte Audrey. «Ich halte es allein nicht aus.»
«Ich kann hier nicht weg», beschied Fanny sie entschlossen. «Wenn ich jetzt gehe, werden sie glauben, ich sei weggelaufen.»
«Sollen sie’s doch glauben!», rief Audrey heftig. «Die halten dich ohnehin für eine Verräterin, für eine Spionin. Na und? Wenn wir draußen auf The Brashy sind, kann uns doch ihr Gerede egal sein.»
«Benedict ist aber nicht auf The Brashy», erklärte Fanny leise.
Audrey fragte nicht, ob die Liebe zwischen Fanny und Benedict wieder aufgeflammt war. Es ging sie ja eigentlich gar nichts an. Und wenn sie Fanny so anschaute, erübrigte sich die Frage auch.
«Ich brauche dich.» Sie atmete tief durch. «Ich … Es ist einsam ohne ihn, und ich fange an, Gespenster zu sehen.»
«Spukt es auf The Brashy?» Fanny kicherte albern. Sie hätte den zweiten Sherry wohl besser nicht trinken sollen.
«Es spukt eher in meinem Kopf», erwiderte Audrey düster.
Kurz darauf verabschiedete sie sich enttäuscht. Ihre Hoffnung, mit Fanny heimzukehren, war zerschlagen.
Fanny aber zog sie in einer plötzlichen Gefühlswallung eng an sich, und sie flüsterte Audrey etwas zu.
«Wenn ich nicht mehr glücklich sein kann, dann komm ich zu dir nach The Brashy. Das ist dann, als würde ich heimkommen.»
Audrey hatte ein Zimmer im Club bezogen, und als sie die Eingangshalle durchquerte, rief ihr der hochgewachsene Inder nach, der am Tresen stand und die Gäste betreute.
«Nehmen Sie die Post für Ihren Mann auch mit, Memsahib?»
Er hielt einen Packen Briefe in der Hand. Viele Briefe. Und der eine obenauf trug Celias Handschrift.
«Natürlich», sagte sie fröhlich, nahm den Stapel und drehte sich rasch um.
Schrecklich, dachte sie, kaum dass sie im Zimmer angelangt war und Thomas absetzte. Jetzt hatte sie hier Briefe von Celia, die Matthew noch nicht kannte. Es wäre kein Problem, sie verschwinden zu
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