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Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Titel: Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Ewo
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traue mich nicht, mich unter einen Jerry auf eine Leiter zu stellen. Die Statistiken besagen, dass jeden Tag 51   808   Unfälle passieren, die mit Hausrenovierung zu tun haben. Mit Jerry an Bord besteht zu 89   % die Gefahr, dass genau so etwas hier eintritt. Ich versuche, das Risiko, dass der Unfall mich trifft, zu minimieren.
    Oben von der Leiter ist ein Stöhnen und Ächzen zu hören.
    Ich beiße die Zähne zusammen.
    Es wird geseufzt und gestöhnt und das Gras unter der Leiter bekommt eine hübsche weiße Dusche, während Malermeister Jerry ansonsten fast schweigend arbeitet.
    Ich halte mich an meine Ecke und rolle weiße Farbeauf, die alle alten Flecken überdeckt, rolle über Regenabnutzung und Sonnenbleiche.
    Jerry hört sich an wie ein kleines Tier, das auf dem Operationstisch leidet. Leises Jammern und Keuchen, wenn er den Atem krampfhaft einzieht und anhält, bevor er ihn in einem langen Ausatmen wieder freigibt.
    Die Laune, mit der dieser Tag angefangen hat, beeinflusst mich. Der Tagtraum von einem verfressenen Tag verabschiedet sich winkend und verschwindet aus dem Garten, den Hügel hinunter. Er stellt sich an die Bushaltestelle und nimmt den ersten Bus, der aus Tipling hinausfährt.
    Vielleicht sollte ich auch schnell mal abhauen? Nur einen Meter weit? Um die Ecke hüpfen und mit der Ostwand anfangen? Um dem König der Seufzer oben auf der Leiter für eine Weile zu entkommen.
    »Mein Gott!«, klingt es erneut oben von der Leiter.
    Aber seine Stimme hat sich verändert.
    Weg ist der deprimierte Klang.
    Jetzt redet ein anderer Jerry.

3.   NEUE LAUNE, NEUER JERRY
    Jerry starrt auf etwas auf der anderen Seite der Hecke.
    Ich drehe die Ohren und höre die Haustür des Nachbarhauses ins Schloss fallen.
    Anschließend Schritte die Treppe hinunter.
    Es sind Selmas Füße, die so klingen.
    »Hoi-oi!«, ruft Jerry und winkt.
    Fast fällt er dabei herunter, die Farbe spritzt hierhin und dorthin und überall an die Wand. Doch das kümmert ihn nicht. Er winkt noch einmal.
    »Huhu!«, erwidert Selma freundlich.
    Dann trippelt sie über den Kies, setzt sich aufs Moped, lässt es anspringen und dröhnt davon.
    Jerry ist auf dem Weg die Leiter hinunter. Er hat noch nie etwas davon gehört, wie man normal eine Leiter hinuntersteigt. Stattdessen nimmt er immer zwei Sprossen auf einmal und springt die letzten fünf Sprossen hinunter. Landet wie ein Idiot fast kopfüber auf dem Boden. Es fehlt nicht viel und Selma hätte ihn überfahren, sie muss bremsen und hart nach rechts lenken. Doch in dem Moment, als Jerry das Moped zu fassen kriegt, findet er sein Gleichgewicht wieder. Das Ergebnis ist, dass das Moped umkippt und beide ins Gras fallen, johlend vor Lachen.
    Sie haben etwas Kindliches an sich. Irgendwie süß und unschuldig.
    Gleichzeitig ist das so privat, dass es mir schon peinlich ist. Jetzt bekomme ich wirklich Lust, um die Ecke herum zu verschwinden und mit dem Pinsel irgendeinen Fleck auszubessern.
    »Wollt ihr denn nicht zur MOT O-Show ?«, fragt sie, bevor ich verschwinden kann.
    Jetzt erinnere ich mich daran, dass Maggie das gestern erwähnt hat. Aber ich dachte, sie hätte sich im Datum geirrt. Denn die MOT O-Show ist etwas, das ich eigentlich nie verpasse. Die MOT O-Show in Vanger ist legendär. Dorthin kommen Leute, die ihre alten Autos vorführen, die sie aufgepeppt, zusammengeschraubtund restauriert haben. Und Leute, die alles verkaufen, von alten Handbüchern für einen Mercedes Modell 1969, Original-Vergasern und Gangschaltungen für alte Fords bis zu Automodellen, die sie selbst gebaut haben, oder Autowerkzeugen aus Eigenproduktion. Nicht zuletzt kommen jede Menge Autobegeisterte, ein fahrender Zirkus, Leute mit Imbissen und Hunderte von Neugierigen.
    Aber jetzt sieht es schlecht aus. Wir sitzen hier fest.
    »Wir müssen   – äh   … streichen!«, sage ich sauer.
    »Ich kenne deine Eltern genauso gut wie dich«, erklärt Jerry überraschenderweise. »Ich weiß, dass sie nichts dagegen haben, wenn wir auch ein bisschen Spaß haben. Ich glaube sogar, dass sie uns selbst zur diesjährigen MOT O-Show schicken würden, wenn sie hier wären. Vergiss nicht, das Leben soll auch Spaß machen. Mädchen. Essen. Das ist das Leben. Nicht immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit.«
    Wo ist derjenige geblieben, der nach dem Sinn des Lebens gefragt hat?
    Oder derjenige, der meinem Vater versprochen hat, das Haus fertig zu streichen?
    Ich verdrehe die Augen und breite die Arme aus. Ich werde dem Glück nicht im Wege

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