Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
schwer kann das sein? Was willst du eigentlich aus deinem Leben machen? Oder willst du gar nichts erreichen?«
Der Teufel hinter mir lockt.
Wie schwer kann es schon sein?
Meine Eltern sind den ganzen Tag weg.
Niemand wird das Auto vermissen.
Andererseits – ich weiß, dass es jedes Jahr 3416 Unfälle gibt, weil Leute ohne Führerschein sich ein Auto »ausleihen« und verunglücken. Es besteht zu 57 % die Gefahr, dass das auch uns passieren wird.
Wie soll ich mich also entscheiden?
Denk, denk nach!
»Also, was sagst du?«, fragt er.
»Ich … ich sage …«
Ich nehme die Chance wahr.
5. DREISSIG SCHÖNE MINUTEN
Zehn Minuten später habe ich das Schloss aufgekriegt. Und den Biodieselwagen kurzgeschlossen.
Ich bin ein Superganove.
Ein nervöser, instabiler Ganove.
Allein der Gedanke an meinen Vater lässt mir die Haare zu Berge stehen.
Aber ich lasse es nicht zu, dass die Angst siegt.
Sie schwimmt ganz unten in der Tiefe wie ein heimtückischer Riesenhecht.
»Du bist genial, Bud!«, sagt Jerry und setzt sich hinters Steuer, zieht den Motor hoch und ist fertig zur Abreise. Bevor er aus der Auffahrt draußen ist, hole ich Sonnenbrillen und zwei Käppis. Das muss als Verkleidung genügen. Wir sehen aus wie zwei Diebe.
Ich betrachte mich im Spiegel. Nun ja … vielleicht, aber nur vielleicht wie neunzehn.
Oder achtzehn.
Oder genau so alt, wie wir auch sind.
Wird uns jemand erkennen, wenn wir durch Tipling fahren?
Mein Atem geht immer schneller. Und die Lunge schafft es nicht mehr, genug Sauerstoff aufzunehmen. Es prickelt an den Schläfen.
Der heimtückische Hecht aus zwanzig Kilo reiner, unverfälschter Angst und Sorge schlägt mit dem Schwanz und schwimmt an die Oberfläche.
Doch ich zwinge ihn wieder hinunter in die Tiefe.
Zwinge mich selbst, eine halbe Minute lang den Atem anzuhalten.
Zwinge mich, einen Song zu summen.
»Entspann dich, Bud«, sagt Jerry verständnisvoll. »Jetzt werden wir unseren Spaß haben. So ist das Leben. Vergiss nicht, wenn jemand eine Strafe kriegt, dann bin ich das. Vergiss nicht, wenn deine Mutter & dein Vater das hier erfahren sollten, dann bin ich gefahren. Nicht du. Du kannst ja nicht einmal fahren. Die Schuld liegt ganz bei mir. Ganz allein.«
Schon merkwürdig, dass genau diese Sätze dazu führen, dass ich ruhiger werde.
Selma lehnt das Angebot mitzufahren dankend ab. »Tut mir leid, aber ich habe keine Lust, mich da mit reinziehen zu lassen, kurz bevor es bei mir losgeht«, sagt sie. Aber sie wirft Jerry einen Handkuss zu. Er lächelt zufrieden und wir biegen ab auf die Straße.
Und fahren.
Jerry fährt gut. Ich hatte gedacht, er würde wie ein Känguru fahren – hopp – und stopp – und hopp – und plötzlicher Stopp und Abwürgen des Motors. Aber wenn ein Auto seine Gefühle ausdrücken kann, dann genießt der Wagen offenbar Jerrys Fahrstil. Er läuft besser als bei meinen Eltern. Er legt sich perfekt in die Kurven, lässt sich einfach super schalten und fühlt sich wohl. Straße und Auto und Jerry werden zu einer Einheit und plötzlich verstehe ich, was Jerry meint mit dem Leben, der großen Wassermelone und dem Stück davon.
Das Leben ist perfekt!
Die Sonne und die Umgebung, die Fahrt und das Auto, das sich wohlfühlt, und Jerry, der munter vor sich hin plappert, wie er es immer tut – aber selbst das erscheint gemütlich und gibt eine Art von Sicherheit –, all das ist perfekt.
Der heimtückische Hecht verschwindet zu 100 % – in tiefere Tiefen einer unbekannten, dunklen Schlucht in dem schwarzen Wasser.
Nach dreißig perfekten Minuten nähern wir uns Vanger und der Verkehr wird dichter. Es wird enger und uns wird klar, dass wir gar nicht damit zu rechnen brauchen, in der Nähe der MOT O-Show einen Parkplatz zu finden.
Fünfhundert Meter davor sehen wir eine riesige Lücke in der Reihe der parkenden Autos. Es ist nicht ganz einfach zu verstehen, was dann passiert. Ein anderes Auto ist direkt davor stehen geblieben. Vielleicht will das ja den Platz haben. Vielleicht auch nicht.
Jerry nimmt an, dass der andere nicht rückwärtseinparken will. Deshalb fährt Jerry schräg in die Lücke hinein. Leider war das ein Irrtum. Ein riesiger Irrtum.
Das andere Auto setzt im gleichen Moment zurück.
Damit rammen wir den Wagen, der sich gerade rückwärts in Bewegung setzt. Kein großer Rums. Aber er ist zu spüren.
»Das geht schon klar«, sagt Jerry und setzt wieder zurück. Er winkt und lächelt dem
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