Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
antworte ich klar wie ein mittlerer Nebelfürst.
»Oh«, antwortet sie und packt ihr Brot aus, setzt sich auf ihren Stuhl und isst.
Wieder steigt in mir der Gedanke auf: Was soll das eigentlich? Ich bin hierhergekommen, um Ruhe zu finden. Um ein Wolfsjunge zu sein, der das Leben ein bisschen nett haben möchte. Stattdessen brülle ich dumme, dumme Antworten übers Wasser. Und mache mir den Stress, Fische fangen zu wollen. Wo ich doch gar keinen Fisch fangen muss. Schließlich stehe ich hier nur an diesem unheimlichen See, weil Maggie hier ist.
Wann werde ich endlich lernen, etwas zu tun, was NUR ICH tun will?
Ich habe das miese Gefühl, dass ich mit einer Wahrscheinlichkeit von 73 % niemals die Dinge tun werde, die ich selbst tun will. Nein, der Prozentsatz ist noch höher! Mindestens 95 %!
Was hätte der Wolfsjunge getan?
Wahrscheinlich genau das, was er getan hat: Er ist abgehauen. Hat eine andere Situation gefunden, die ihm besser gefällt. Gerade jetzt liegt er pelzig und entspannt am nächsten Fischteich und sagt zu sich selbst: »Angeln? Oder nicht angeln? Pah! Brauche ich heuteetwa Fisch? Eigentlich nicht. Deshalb werde ich einfach spaßeshalber ein paarmal die Angel auswerfen, mich dann ans Ufer legen, mich entspannen und Wolfsjungengedanken denken. Z-z-z.« Und dann schläft er ein – er ist tatsächlich glücklich.
Ich seufze zum zwanzigsten Mal schwer und treffe eine Entscheidung.
6. DER WAHNSINNSFANG
Wenn das alles keinen Sinn hat, muss ich etwas anderes machen. Ausbrechen.
Jetzt werde ich drei Würfe machen. Drei perfekte Würfe – nur um Maggie zu zeigen, dass ich zumindest mit der Angelrute umgehen kann. Und dann melde ich mich ab. Dann gehe ich woandershin, lege mich an einen See und denke träge Bud-Gedanken.
Der erste Wurf wird richtig gut.
Körper, Arme und Beine tun, was sie tun sollen. Der Haken bleibt nicht in den Bäumen hinter mir oder in meinem Haar hängen.
Ein perfekter Bogen. Ein perfekter Plopp.
Ich hole ein, unter der Wasseroberfläche windet sich der Köder lockend und winkt den Fischen zu, die eine Runde schwimmen. Aber noch nicht verlockend genug, sodass sie bessere Ideen haben, als anzubeißen.
Der zweite Wurf ist nicht ganz so phänomenal.
Er fällt ein wenig zur Seite ab und ein paar schreckliche Sekunden lang fürchte ich, er könnte im Schilflinks von mir landen und sich dort so gründlich festhaken, dass ich peinlicherweise dorthin waten muss, dann ziehe und zerre, ihn losschneide, nass werde und mich vor Maggies Augen blamiere.
Aber er entkommt der Schilffalle.
Ich hole den Köder ein, die Spule dreht sich und die Fische suchen sich ein besseres Mittagessen und lieber eine Tasse lauwarmes Seewasser. Kein Interesse. Was für mich aber auch in Ordnung ist.
Der dritte und letzte Wurf ist von Anfang an eine Katastrophe. Während ich das Gewicht auf den vorderen Fuß verlagere, verliere ich das Gleichgewicht. Der Haken saust noch weiter nach links und landet im Schilf.
Und setzt sich fest.
Ich wippe mit der Angel ein wenig hoch und ziehe vorsichtig. Doch der Haken sitzt fest.
Ich senke die Angel und hole die Leine ein. Wippe wieder mit der Rute und ziehe. Vorsichtig. Ganz vorsichtig.
Die Fische, die gerade Mittagspause machen, kichern über mich und gönnen sich noch eine Tasse klares Wasser. Das ist die Mittagsshow hier im Digern.
Ich gebe der Schnur wieder ein paar Meter und hole sie dann ein.
Gebe der Rute einen kräftigen Ruck, wütend und energisch.
Und das war es, was fehlte.
Der Haken löst sich. Der Blinker huscht durchs Wasser, tanzt und hüpft und ruft »Hallo, ich bin ein leckerer fetter Happen«, und davon wird einer derträgeren Fischkumpel im Fischcafé reingelegt. Er stößt sich vom Tresen ab und ruft: »Der gehört mir!«
Und beißt an.
Es ist verrückt und unwahrscheinlich, aber es hat einer angebissen und dabei ist die Rede von einem richtigen Fang!
Der Fischkumpel begreift schnell, dass er sich geirrt hat. Er ist in eine Falle gegangen. Es zerreißt ihm das Maul und er versucht, loszukommen. Doch seine Zähne klappern wiederholte Male gegen den harten, kalten Blinker.
Der nächste Trick ist: Anlauf nehmen und in die entgegengesetzte Richtung loszusprinten.
Wir befinden uns in einem Duell!
Ich halte am Ufer dagegen und er braust unter Wasser los.
Maggie ist von ihrem Stuhl aufgestanden und verfolgt interessiert das Geschehen.
Meine Angelrute biegt sich deutlich. Hier ist keine Rede von einem Fisch. Sondern von
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