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Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Titel: Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Ewo
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tarnen, indem ich langsam immer wieder den gleichen Fleck an der Wand streiche.
    »Keine Panik«, sagt er und hockt sich neben mich. »Du kannst mir vertrauen. Ich werde niemandem etwas davon erzählen. Schon gar nicht deinen Eltern. Du darfst mich nicht falsch verstehen, Bud. Sie sind wirklich reizend, aber so richtig verständnisvoll sind sie nicht. Abgefahren ist nur die Sache mit der Kleidung. Oder besser gesagt, der fehlenden Kleidung.«
    Er packt meinen Arm. »Nun komm schon. Wir können doch nicht bis in alle Ewigkeit weiße Farbe auf die gleichen zwei Zentimeter an der Wand klatschen. Wir haben noch ein halbes Haus vor uns. Aber vertraue mir. Ich werde die Schnauze halten. Das ist zwar nicht leicht, aber selbst ich werde es schaffen, wenn ich muss   …«
    Wir streichen weiter, während Vater die Polizei anruft und anschließend die nächste Stunde nervös zwischen unserem Garten und Großvaters Pavillon hin- und herläuft. Er bemerkt kaum, was wir da treiben. Nicht einmal, als Jerry mit großen Buchstaben »SELMA« an die Wand malt. Die frische weiße Farbe ist gut auf der wettergegerbten Unterlage zu erkennen.
    »Wow! Das gefällt mir!«, hören wir eine bekannte Stimme. Wir zucken zusammen und drehen uns schnell um.

3.   ZWEI QUATSCHKÖPFE UND EIN IDIOT
    Wir versuchen, »Selma« an der Wand überzustreichen.
    Aber das lässt sich nicht so einfach machen.
    Wir streichen noch ein zweites Mal drüber.
    Aber es sieht aus, als wäre ihr Name in die Bretter eintätowiert.
    »So einfach ist es nicht, mich loszuwerden«, erklärt sie triumphierend. »Selbst wenn ich bereits das Leben im Fernsehcamp genieße, wird das hier noch stehen. Kommt, Jungs, ich helfe euch!«
    Sie nimmt Jerry die Rolle aus der Hand und dreht sich zur Wand, doch im letzten Moment knickt sie die Hand zur Seite und streicht Jerry weiße Farbe über die Wange.
    »Oh, Entschuldigung, Herr Storm«, kichert sie. »Ich habe den Unterschied zwischen Ihnen und der Wand nicht gesehen.«
    »Ich werde dir zeigen, wie hier gemalt wird!«, johlt er, reißt mir die Farbrolle aus der Hand und zielt auf ihre Wange. Aber sie kann noch davonlaufen.
    Dann wirft er sich jedoch über sie, sodass beide zu Boden stürzen, küsst sie aufs Ohr, und zusammen rollen sie über das Gras, prügeln sich spaßeshalber, machen Blödsinn und grinsen.
    Das ist ein merkwürdiger Vormittag.
    Jerry und Selma albern herum, turteln miteinander, er kocht ihr Tee und sie lässt sich von ihm bedienen, bevor sie Fangen ums Haus herum spielen, sodass die ganze Nachbarschaft hören kann, wie sie lachen und sich verrückte Sachen zurufen. Sie jagen sich gegenseitigdurch die Johannisbeersträucher, Selma bekommt Brennnesselblasen an den Knöcheln und muss getröstet werden, und Jerry tröstet sie.
    Das sind zwei verliebte Quatschköpfe. Es ist niedlich, sie anzuschauen. Und gleichzeitig so schmerzlich einsam und fast ärgerlich. Ich fühle mich auch wie ein Quatschkopf   – aber in erster Linie wie ein Idiot.
    Wozu noch streichen, wenn die beiden Quatschköpfe nur herumalbern und flirten?
    Das hat doch keinen Sinn.
    Ich sehe, wie die beiden um die Ecke laufen. Sie kommen an mir vorbei   – zuerst Selma, Jerry hinterher   –, und gerade als Jerry die nächste Ecke nehmen will, ruft er mir über die Schulter zu: »Halte aus, Bud. Halte aus! Wir schaffen das!«
    Ich werfe die Farbrolle in den Eimer und gehe.
    Schnappe mir die Angel, die in meinem Zimmer in der Ecke steht, und verschwinde in Richtung Wald. Denn genau das hätte der Wolfsjunge getan. Er wäre seinen Instinkten gefolgt und hätte eher ans Fressen als ans Hausstreichen gedacht. Und das erst recht, wenn der Rest der Welt sich sowieso nicht darum kümmert.
    Das Gelächter im Garten ebbt hinter mir ab und bald bin ich im Wald. Der Wolfsjunge federt munter über Moos und Gras, mit lockerem Schritt. Er summt ein Wolfsjungenlied unter den hohen Bäumen und genießt den Geruch des Waldes und das Gefühl, eins mit ihm zu sein.
    Doch dann verändert sich alles   – ein Stück vor mir sehe ich das schwarze Wasser vom Digern. Es ist magisch.Kein Ort mit positiver Aura. Sondern ein Ort für schwarze, dunkle, böse Magie. Vielleicht bin ich der Einzige, der es sieht, aber das Wasser hat eine besondere Dunkelheit an sich.
    Der Wolfsjunge wird plötzlich neugierig auf das dunkle Wasser. Ich dagegen werde wieder zu Bud, der sich nur zurück in sein Mauseloch wünscht. Ich nähere mich dem Digern und denke an den Traum, den ich einmal

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