Am Horizont die Freiheit
die seiner Familie verantwortlich. Merke es dir gut, Sohn.«
Joan atmete tief ein, als wollte er die Worte seines Vaters aufsaugen. Er glaubte, dass er ihn verstanden hatte, und er bat ihn nachdrücklich: »Ich möchte lernen, die Azcona wie du zu werfen.«
»Das wirst du sicher schaffen«, antwortete Ramón lächelnd. »Sogar besser als ich.«
Er erinnerte sich, dass er damals daran gezweifelt hatte, ob es ihm eines Tages gelingen würde. Und nun hielt er die Azcona seines Vaters in der Hand. Und sein Vater war tot.
»Versprich mir, dass du frei sein wirst.« Und: »Kümmere dich um sie.« Darum hatte er ihn vor seinem Tod gebeten. Der Schmerz, den Joan im Herzen verspürte, breitete sich über den ganzen Körper aus.
Er fühlte sich unfähig, sein Versprechen zu erfüllen.
»Er braucht uns nicht mehr«, sagte Tomás zu ihm. Er zog ihn hoch und umarmte ihn. »Wir müssen uns um die Lebenden kümmern. Es tut mir sehr leid, Joan, aber wir dürfen keine Zeit verlieren.«
Die Sarazenen trieben die Gefangenen am Strand zusammen. Es waren zwölf Frauen unterschiedlichen Alters und zwei Jungen, die etwas älter als Joan waren. Sie hatten sie gefesselt, und mehrere Piraten bewachten sie, während andere Ballen und Tiere auf die Boote brachten – alles, was sie in den Häusern zusammengestohlen hatten.
»Wen siehst du?«, fragte Tomás.
Den Männern fiel es schwer, etwas genau zu erkennen, doch Joan hatte gute Augen. Er erblickte seine Mutter, die im Sand saß und versuchte, die weinende Isabel zu stillen. Der Junge erbebte, als er den Strick sah, den man an ihrem Hals festgebunden hatte. Neben ihr stand tränenüberströmt seine Schwester María, und bei den beiden waren Elisenda und Marta, Tomás’ Tochter und Frau. Sie starrten ihre Peiniger verängstigt an. Joan zählte nacheinander die Namen aller Gefangenen auf. Auch Daniels Schwester war dabei.
»Mein Gott!«, rief Tomás, den es bestürzte, als er hörte, dass seine Frau und seine Tochter gefangen waren. »Ich hatte gehofft, dass sie sich irgendwo versteckt hätten.«
»Wir müssen etwas tun!«, sagte Joan. »Wir müssen sie befreien!«
»Sie warten auf die Flut, um auszulaufen«, gab Daniel zu bedenken. »Sie wollen Kräfte sparen. Daher werden sie den Turm nicht angreifen. Sie haben schon genügend Beute gemacht, und sie werden sich zusammenscharen, um ihr Diebesgut vor jedem Angriff zu schützen.«
»Aber wir müssen sie retten!«, drängte Joan.
»Gegen so viele können wir nichts ausrichten, wir nicht und auch die Leute oben nicht«, sagte Daniel. »Sie würden uns alle auf der Stelle umbringen.«
»Unsere einzige Möglichkeit ist, dass Hilfe aus Palafrugell eintrifft«, erklärte Tomás.
Daniel zuckte die Achseln. Offenbar zweifelte er daran.
»Sie sind weniger als drei Meilen entfernt«, betonte er. »Wenn sie gewollt hätten, wären sie schon längst hier. Seit einer ganzen Weile läutet die Glocke in unserem Turm Sturm – sie müssen sie gehört haben. Vielleicht wollen sie sich nicht in Gefahr bringen. Sie fürchten gewiss, in einen Hinterhalt zu geraten. Sie werden uns nicht helfen.«
»Das müssen sie aber!«, rief Tomás wütend. »Der Abt des Santa-Anna-Klosters behauptet, unser Herr zu sein, und er verlangt Steuern von uns. Es ist seine Pflicht, uns zu verteidigen.«
»Gehen wir, und holen wir sie!«, drängte Joan ungeduldig.
»Geht ihr. Ich bleibe und halte Wache«, erklärte Daniel.
5
W ährend sie bergab in Richtung Palafrugell liefen, betete Joan, dass die Leute aus dem großen Ort seine Familie retten würden. Kurz danach begegneten sie zwei Reitern: die Vorhut der Bürgerwehr, der Freiwilligen, die dem Ruf zu den Waffen gefolgt waren. Der Junge verspürte unsagbare Erleichterung. Sie unterrichteten die Reiter, was vorgefallen war, woher die Piraten kamen und dass man schnell handeln müsse.
»Wir werden den Administrator benachrichtigen. Er soll entscheiden«, sagte der Mann, der offenbar das Kommando führte. Er hob Joan auf die Kruppe seines Pferdes. Tomás lief ihnen hinterher.
Kurz darauf trafen sie auf die Truppe, die weniger als eine Meile entfernt wartete. Der Administrator von Palafrugell war ein dickbäuchiger Geistlicher. Er hieß Bruder Dionís, und er verwaltete das Gut im Namen des Santa-Anna-Klosters in Barcelona. Joan sah, dass er sich für den Kampf gerüstet hatte. Er trug einen Helm, dazu hatte er den oberen Teil einer Rüstung angelegt, die seinen dicken Bauch nicht verbarg, und er trug ein
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