Am Malanger Fjord
Meeresbucht zu führen, wo der Blick auf Senjenöe und auf die eisigen Fjellen, welche dies Gewirr der Fjorden im Norden und Süden trennten, viel herrlicher sein sollte.
Stureson benutzte diesen Spaziergang, um seine ganze. Liebenswürdigkeit geltend zu machen. Er war so galant und unterhaltend, wie er es zu sein vermochte, und da er früher im Rufe eines Unwiderstehlichen gestanden hatte, schien es ihm sehr leicht, dies Kind zu erobern.
Seine lustigen Geschichten, Scherze und Anspielungen wurden freundlich aufgenommen. Mary lachte über seine Fragen und antwortete oft geschickter, als Stureson es ihr zugetraut hätte. Der Weg an der Bucht entlang führte über wildes Gestein, durch Birkengestrüpp und endlich steil hinauf zu einem Klippenvorsprung, welcher das Ziel dieser Wanderung war.
»Soll ich Ihnen meine Hand bieten, Jungfer Mary?« fragte Stureson, als sie vor ihm her über die hohen Felsblöcke stieg.
Das junge Mädchen dankte, indem es so behend vorauseilte, daß der Landrichter sie mit aller Mühe nicht einholen konnte. An der höchsten Spitze bildete der Felsvorsprung ein kleines Plateau, zu welchem mehrere stufenförmig übereinandergelegte Steine führten.
»Da Sie meine Hand verweigert haben«, sagte Stureson lächelnd, »so bitte ich jetzt um die Ihrige. Strecken Sie sie aus, Jungfer Mary, und helfen Sie mir an Ihre Seite.«
Mary bot ihm die Hand, und im Augenblick stand er neben ihr. Die Sonne schien warm, er war erhitzt und außer Atem.
»Man sieht es«, sagte sie mutwillig, »daß Sie nicht gewöhnt sind, beschwerliche Pfade zu gehen. Aber sehen Sie sich um, Herr Stureson, wie die Mühe sich lohnt. Ist es nicht schön hier?«
Der Landrichter setzte sich auf eine Art Bank und erwiderte schmeichelnd: »Das Schönste, was zu sehen ist, sehe ich vor mir. Das übrige ist freilich artig genug, doch Meer und Felsen, kleine Täler dazwischen und Eisberge sieht man überall, auch im Süden. Ich meine aber, dies muß Ihr Lieblingsplätzchen sein, Jungfer Mary, und deshalb ist es mir besonders wert.«
»Ich komme freilich oft hierher«, entgegnete sie.
»Und diese Bank ist für Sie aus Steinen zusammengebaut?«
»Olaf Helmböe hat es getan«, war ihre Antwort. »Er erklimmt leicht die schroffsten Spitzen, denn er ist ein kühner Jäger. Mir aber würde es schwerlich möglich gewesen sein, hier heraufzukommen, wenn er die Stufen nicht gelegt und den Pfad, so viel sich tun ließ, geebnet hätte.«
»Der Schulmeister also begleitet Sie zuweilen?« fragte Stureson und konnte ein spöttisches Lächeln nicht unterdrücken.
»Er sitzt oft hier, um zu lesen, oder wenn er die Geige spielt. Das müssen Sie hören, Herr Stureson, es ist merkwürdig und ergreifend. Dort unten wohnt er – in dem Hause!«
Sie deutete in einen Grund nieder, der zwischen Felsen und Birkengesträuch in der Tiefe lag und wunderbar schön und still aussah. Saftiges Gras bedeckte ihn, und nahe an einem schäumenden Bach, der aus den Felsen hervorsprudelte, lag das kleine Blockhaus, rötlich gefärbt, mit hellen Fenstern und einem Dach aus Birkenrinde, umgeben von einem Gartengehege mit Blumenbeeten und Obststräuchern, das durch Olafs Fleiß entstanden war. Niemand aber ließ sich sehen, und in dieser lautlosen Ruhe schien das Haus wie auf einer verlassenen schönen Insel zu liegen.
»Das sieht behaglich aus«, rief Stureson, »viel zu gut für einen Burschen von so elender Abstammung!«
»Sie müssen nicht so von ihm sprechen«, erwiderte Mary ernsthaft. »Olaf Holmböe ist ein Mann, der Ihre Beachtung verdient.«
»Meine Beachtung – o ja!« sagte der Landrichter. »Schon deshalb, weil Sie seine Beschützerin sind!«
»Warum sollte er meinen Schutz nötig haben?« versetzte sie ruhig. »Er hat jedoch mehr gelernt als alle Männer hier umher, und was er sagt und denkt, ist gut und verständig. Er wohnt bescheiden und still dort in dem kleinen Haus, tut jedem wohl, soviel er vermag, hilft und rät den Leuten, die zu ihm kommen, und beleidigt niemanden.«
»Das ist eine lange Lobrede«, rief Stureson, »ich beneide ihn darum! Sie kennen den bescheidenen Schulmeister schon lange?«
»Ich habe ihn früher schon gesehen«, antwortete Mary, »als er in Holmböes Haus lebte, der ihn wie sein Kind hielt. Der alte Mann hatte ihn einst tief in den Roskefjellen getroffen, wo Olaf Vieh hütete und, an einem Wasserfall sitzend, auf seiner kleinen Violine spielte.«
»Und er glaubte einen großen Virtuosen aus ihm machen zu können«, unterbrach sie
Weitere Kostenlose Bücher