Am Malanger Fjord
Stockfleth saß auf einem niedrigen Stuhl, und vor ihm kniete der junge Mann, der sein Haupt in dem Schoß des Priesters verbarg. Die Hände des Missionars lagen gefaltet auf Olafs Kopf, er schien ein leises Gebet zu murmeln, das unverständlich sich in dem stillen Raum verlor.
Das Zimmer war niedrig, doch ziemlich groß, die Holzwände ohne Schmuck, die Fugen der Balken mit Moos verstopft, der Fußboden mit jungen Birkenblättern bestreut. Ein schwerer Tisch und einige Holzstühle bildeten die einzigen Geräte. Bretter liefen an den Wänden umher, auf welchen Bücher lagen, einige Kleidungsstücke hingen darunter und neben ihnen ein kurzes Gewehr mit ungeschicktem Schaft, Jagdtasche und Pulverhorn nebst einem anderen Instrument, das wie der verunglückte Versuch aussah, eine Geige daraus zu bilden.
Bei dem Geräusch an der Tür wandte sich der Missionar danach um, und im nächsten Augenblick stand Olaf neben ihm.
»Willkommen!« sagte Stockfleth ohne ein Zeichen der Überraschung. »Wir haben unser Gespräch und unsere Andacht beendigt. Es ist freundlich gedacht, Herr Sorenskriver Stureson, daß Sie Olaf in seiner stillen Häuslichkeit besuchen.«
»Gottes Frieden mit Ihnen, Herr«, fügte der Schulmeister hinzu. Er hob sein schwermütiges Auge zu dem großen, stolzen Mann und neigte sich demütig vor ihm.
»Wir haben auf Olafs Bank gesessen«, sagte das junge Mädchen, »und kommen nun hier vorüber, um ihn selbst einzuladen, den Nachmittag mit uns zu verleben. Unser werter Gast, Herr Stureson, soll von uns so angenehm unterhalten werden, wie wir es vermögen, ich bitte daher den Herrn Holmböe, auch dazu beizutragen.«
Der Schulmeister verneigte sich nochmals und blickte fragend zu dem Propst hin, der ihm lächelnd zunickte. »Was in meinen Kräften steht und Ihnen angenehm sein kann«, sagte Olaf mit seiner sanften Stimme, »wird immer für mich kaum der Aufforderung bedürfen.«
Stureson sagte ihm freundliche Worte und schien durch die bescheidenen, schüchternen Antworten des jungen Mannes mehr zufriedengestellt zu sein als durch sein früheres Benehmen. Wahrscheinlich hatte der Missionar ihm die nötigen Vorhaltungen gemacht und Vorschriften erteilt. Stureson bemerkte mit Genugtuung dies demütige und scheue Zurückweichen und die niedergeschlagenen Augen des Lappen, die ihn gestern so unheimlich stier und wild angestarrt hatten. Er fühlte sich erweicht und bot ihm sogar die Hand, als er ihm versicherte, daß er sich seiner annehmen werde, wie und wo es geschehen könne. Ein paar Zeichnungen Olafs in Bleistift und Kreide, an der Wand mit kleinen Nägeln befestigt und Ansichten des Fjordes darstellend, führten neue Lobsprüche des Landrichters herbei und diese steigerten sich noch, als Stockfleth erwähnte, daß es nicht leicht eine schönere Handschrift geben könne als die des Schulmeisters und allerlei Proben dies bestätigten.
»In Wahrheit, Herr Holmböe«, sagte Stureson, »Sie haben Kenntnisse und Fähigkeiten, die einen anderen Platz verdienten. Wären Sie im Süden, würde es Ihnen besser gehen, aber auch hier muß für Sie gesorgt werden.«
»Ich bin zufrieden mit meinem Los«, erwiderte Olaf.
»Sie müssen an eine größere Schule, vielleicht nach Tromsöe, oder an das Seminar, oder nach Bodöe, kurz, in einen größeren Wirkungskreis.«
»Ich weiß«, erwiderte Olaf in seiner unterwürfigen Sanftmut, »daß ich vieles nicht erreichen kann, was anderen leicht sein würde.«
»Bah!« rief Stureson, »wir leben in einer aufgeklärten Zeit, die alle Vorurteile von sich wirft. Kommen Sie heute nachmittag zu Hvaland, wir wollen vergnügt sein, Herr Olaf, ich bin Ihr Freund, verlassen Sie sich darauf!«
Nach einem kurzen Augenblick des Schweigens fuhr der Landrichter fort: »Sie sollen ja auch ein Virtuose sein. Bringen Sie Ihre Geige mit, Sie müssen sich hören lassen.«
Olaf sah nach dem ungeschickten Instrument hin und sagte bittend: »Sie ist zerbrochen, es kann nicht sein.«
»Nun denn, ein andermal«, rief der Landrichter, »aber ich bin neugierig, sie zu hören. Jungfer Mary hat mir Wunderdinge von den Zaubertönen erzählt, die Sie aus dem seltsamen Holzblock hervorlocken können. Ich denke, Sie machen keine Umstände, Olaf; eben weil ich Ihr Freund sein will, habe ich ein Recht, von Ihnen alle Bereitwilligkeit zu begehren. Wenn wirklich etwas daran ist, wer weiß, wie sich dann Ihr Schicksal wenden kann!«
Olaf verbeugte sich mit derselben Schüchternheit, die er bei jedem aufmunternden Versuch
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