Am Meer ist es wärmer
stellte den Topf in die Spüle, drehte den Hahn auf und füllte ihn mit Wasser. Einweichen, dachte ich, während ich den Hahn zudrehte. Wenn ich etwas tue, denke ich dabei entweder an die Bezeichnung der Tätigkeit, die ich gerade ausführe, oder stelle sie mir ohne den Begriff bildlich vor. Manchmal denke ich auch überhaupt nichts. Einweichen, sagte ich noch einmal im Geiste.
»Oma, warst du das?«, fragte Momo. »Nein«, antwortete meine Mutter. »Ich wusste nicht mal, dass es einen Timer gibt.« Meine Mutter holte die Bedienungsanleitung aus einer Schublade, setzte ihre Brille auf und las. Vielleicht war das Gerät, als wir es gekauft haben, schon auf acht Uhr eingestellt? Obwohl es bis jetzt nie angegangen ist. Wie kommt das so plötzlich? So was!
Der Fernseher lief weiter. Ein Mann erschien auf dem Bildschirm. Er rannte. Der Himmel war strahlend blau. Wellen schlugen an den Strand. Manazuru, sagte ich im Geiste und musterte den Mann auf dem Bildschirm. Die hageren Wangen gaben ihm ein markantes Aussehen. Das Wort Manazuru und das Bild des Mannes drifteten auseinander. Es gab keine Übereinstimmung zwischen ihnen. Manazuru. Ich sprach den Namen nicht mehr aus, aber er hatte einen gewissen Nachklang.
Es knackte, und der Bildschirm wurde dunkel. Momo hatte die Fernbedienung gedrückt.
Mein Mann hieß Rei. Mit seinem Familiennamen Yanagimoto hatte ich ihn nur ein einziges Mal angeredet - und zwar als ich ihn kennenlernte. Indem ich dem Mann, der mir Rei vorstellte, mit fragendem Unterton nachsprach: Ah, Herr Yanagimoto?
Dennoch war es mir am Anfang schwergefallen, ihn Rei zu nennen. Eigentlich hätte ich seinen Namen gern gesagt, aber irgendwie wollte er mir nicht über die Lippen kommen. Also umging ich die Anrede, was mich zu einer etwas unnatürlichen Ausdrucksweise zwang. Es war, als ob irgendetwas Schreckliches neben einem sitzt, man sich jedoch sein Unbehagen nicht anmerken lassen will und versucht, sich möglichst unbefangen zu geben, aber dennoch unbewusst Abstand wahrt. Man bewegt sich ungelenk und unnatürlich. So ähnlich erging es mir mit meiner Ausdrucksweise, sie wurde steif und unbeholfen.
Selbst einfache Fragen - nach Besprechungen, auf denen er gewesen war, wer was gesagt hatte usw. - gestalteten sich äußerst kompliziert, da ich ihn nicht direkt ansprechen konnte. Als ich ihn nach einer Weile im Eifer des Gefechts doch einmal mit Namen anredete, löste sich so etwas wie ein Pfropfen, und danach ging es besser. Mitunter verhaspelte ich mich auch später noch, wenn ich ihn anreden wollte. Denn beim Aussprechen seines Namens lief mir das Wasser im Mund zusammen.
Ihm war mein Name - Kei - von Anfang an glatt über die Lippen gekommen. Er verrichtete gern handwerkliche Arbeiten, und ich kann mich noch gut an seinen Tonfall erinnern, wenn er mich rief, während er sägte oder hämmerte. Widerstandslos senkten sich die Nägel in die sicherlich harten Bretter, als würden sie in einen sandigen Boden gesogen. Ihre Köpfe, die sich durch das scharfe Hämmern leicht hätten verbiegen können, glänzten auch danach ohne jeden Kratzer, als hätte er einen weichen Gummiball benutzt.
»Es macht Spaß zuzusehen, wie sauber du die Nägel einschlägst«, sagte ich, und er lächelte.
»Sag meinen Namen«, sagte er plötzlich.
»Rei«, sagte ich vorsichtig, und noch zwei Nägel zwischen den Fingern küsste er mich. O nein. Als ich etwas zurückwich, strafften sich seine Schultern. O je, dachte ich, und sagte rasch noch einmal Rei. Die Nägel fielen ihm aus der Hand. Er hob sie sofort wieder auf. Ich entschuldigte mich. Immerhin waren sie spitz, und er hätte sich verletzen können. Rei setzte sie auf das Brett auf. Er schien nun ganz damit beschäftigt, sie einzuschlagen und wandte sich mir nicht mehr zu.
Das, was er da zimmerte, wurde eine Kiste für Momos Bilderbücher. Sie steht noch immer in ihrem Zimmer.
Einmal überlegte ich, ob ich das Schild mit dem Namen Yanagimoto entfernen sollte.
Es war fünf Jahre nach Reis Verschwinden, und ich war nahezu überzeugt, dass er nie wiederkommen würde.
Für tot erklären lassen konnte ihn noch nicht, aber eine Scheidung war möglich. Plötzlich störte es mich, unter dem Namensschild meines Mannes zu leben. Daneben hing, seit wir bei meiner Mutter wohnten, das Schild mit meinem Mädchennamen Tokunaga. Auch dieses Nebeneinander gefiel mir nicht.
Ich fragte mich, ob ich meinen Mann hasste. Um diese Uhrzeit war ich immer allein. Momo war in der Schule und saß
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