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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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seinen Schwierigkeiten reagiert hatten, und zweitens wollte er sie nicht wissen lassen, dass er selbst an der Richtigkeit seiner Behandlung gezweifelt hatte. Gewiss, er wollte es ihnen sagen, aber ganz beiläufig, wenn die Angelegenheit bei einer normalen Unterhaltung zufällig zur Sprache kam.
    Inzwischen war es jedoch Dienstagnachmittag, und noch immer hatte sich keine Gelegenheit ergeben. Er mochte es sich einbilden, aber er glaubte eine gewisse kühle Haltung seiner Kollegen ihm gegenüber zu entdecken. Gestern waren sie ohne ihn zum Lunch gegangen. Er war zwar noch mit einem Patienten beschäftigt gewesen, aber einer der Kollegen hätte ihn doch schnell anrufen und ihn fragen können, ob sie auf ihn warten sollten.
    Und dann hatte er den ganzen Nachmittag das Gefühl gehabt, dass sie ihn mieden. Sicher, sie steckten alle bis über die Ohren in Arbeit, aber es gab doch immer zwischen dem einen Patienten und dem nächsten ein paar Minuten, in denen sie selbst an den hektischsten Tagen schnell zum Kollegen ins Sprechzimmer hinübergingen, um dort eine Zigarette zu rauchen und sich ein bisschen zu entspannen. Kein einziges Mal während des ganzen Nachmittags hatte ihm einer der anderen Ärzte auch nur von weitem zugewinkt. Dan hatte erwartet, dass Al Muntz sich bei ihm wenigstens nach der Klausur erkundigen würde. Schließlich hatte er auf dessen Drängen erst daran teilgenommen. Dann hätte er Gelegenheit gehabt, dem anderen von seinen Erlebnissen während des Wochenendes zu berichten, um anschließend auf die Unterredung in Chief Lanigans Büro überzuleiten. Aber Muntz erwähnte die Klausur mit keinem Wort.
    Am Dienstag hatten Kantrovitz und Muntz Sprechstunde im Krankenhaus, waren aber gewöhnlich vor dem Mittagessen wieder in der Praxis. Heute jedoch war zu dem Zeitpunkt, da Cohen bereit war, zum Lunch zu gehen, keiner von beiden zurückgekommen. Und als er zu DiFrancesca hineinschaute, erhielt er zur Antwort: «Gehen Sie nur schon los, Dan. Meine Frau holt mich heute ab. Wir wollen uns einen neuen Teppich aussuchen.»
    War das alles nur Zufall? War er überempfindlich, vielleicht sogar ein wenig paranoid? Er rief Lanigan an in der Hoffnung, von ihm etwas Neues zu hören. Aber Lanigan war nicht in seinem Büro.
    «Würden Sie ihn bitten, mich anzurufen, wenn er kommt?»
    «Sicher.»
    Den ganzen Nachmittag wartete er auf den Anruf. Als er bei Praxisschluss immer noch nichts gehört hatte, beschloss er, auf eigene Faust etwas zu unternehmen. Es konnte doch bestimmt nicht schaden, wenn er zu Marcus Aptaker ging, sich einfach nur mit ihm unterhielt. Kestlers Rezept würde er nicht erwähnen. Er würde nur ein … ein paar Zigarren kaufen. Sie würden sich unterhalten über … nun, über alles Mögliche, wie sie es gewöhnlich taten, wenn er in den Laden kam und Aptaker Zeit hatte. Falls Aptaker dann auf Kestler zu sprechen kam …

27
    Der Brief von der Synagoge kam mit der Morgenpost. Bis auf ein vorübergehendes Zusammenpressen der Lippen ließ Marcus Aptaker sich seine Enttäuschung nicht anmerken; aber er war den ganzen Vormittag zerstreut und musste sich, wenn er einem Kunden gegenüberstand, zu einem freundlichen Lächeln zwingen. Er bediente wie immer, er überprüfte eine Warenlieferung, er beantwortete das Telefon, er tippte Preise in die Registrierkasse und gab die richtige Summe Wechselgeld heraus oder trug den Betrag auf das Kreditkonto des Kunden ein; aber das alles tat er automatisch, während seine Gedanken anderswo waren und sich mit diesem neuen Problem herumschlugen.
    Safferstein um die Verlängerung des Mietvertrages zu bitten, wie es in dem Brief vorgeschlagen wurde, war sinnlos, da Safferstein bereits seit langem versuchte, das Geschäft für seinen Schwager zu erwerben. Jetzt aber brauchte er es gar nicht mehr zu kaufen; jetzt brauchte er nur noch ein paar Monate zu warten, bis der Mietvertrag ablief, dann konnte er es ganz einfach übernehmen. Ursprünglich hatte Safferstein durchblicken lassen, dass er bereit sei, einen guten Preis zu bezahlen; die Tatsache, dass er den Häuserblock gekauft hatte, machte das aber ganz eindeutig überflüssig. Aptaker war sich über eines klar: Falls Safferstein sein Angebot, das Geschäft zu kaufen, aufrechterhalten würde – und das war unter den gegebenen Umständen zweifelhaft –, dann nur auf der Basis, dass er die Warenvorräte zu Schleuderpreisen übernahm und für die Einrichtung höchstens Preise zahlte, wie sie beim Trödler zu erzielen waren.

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