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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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seine Koffer in den Flur. Er entsann sich, dass sie niemals sehr demonstrativ ihre Liebe zueinander gezeigt hatten, dass das aber keineswegs bedeutete, er sei nicht willkommen.
    «Wie geht’s Dad?», erkundigte er sich.
    «Ach, ganz gut. Hast du gegessen?»
    «Ja, unterwegs.»
    «Dann vielleicht einen Kaffee?»
    «Na schön.»
    «Er ist von heute Morgen», warnte sie ihn. «Ich koche mir morgens immer eine ganze Kanne, und dann …»
    «Macht nichts. Hauptsache, er ist schön heiß. Der Kaffee von heute Morgen ist mir durchaus recht.»
    Die Mutter zündete die Gasflamme an. Der Kaffee brauchte nicht lange, um heiß zu werden, da sie ihn sich selbst ja erst kurz zuvor aufgewärmt hatte. Sie schenkte ihm eine Tasse ein und ließ sich schwerfällig ihm gegenüber nieder.
    «Du bist müde», stellte Arnold fest.
    «Ja, ein bisschen. Ich bin den ganzen Tag auf den Beinen gewesen. Es war viel zu tun heute. Gott sei Dank.»
    Er trank schweigend seinen Kaffee, dann schob er die Tasse fort.
    «Er schmeckt dir nicht», warf sie ihm vor.
    «Er schmeckt mir gut, aber ich habe unterwegs alle zwei Stunden Halt gemacht, um einen Kaffee zu trinken. Wahrscheinlich war das ein bisschen zu viel. Aber jetzt erzähl mir erst mal von Dad.»
    Sie atmete tief durch. «Was soll ich dir viel erzählen? Er hatte einen Herzanfall. Was das bedeutet, weißt du ja. Er muss sich schonen. Er darf sich nicht aufregen oder ängstigen. Das sagt der Arzt. Wie ein Geschäftsmann, der im Bett liegt, während seine Frau versucht, das Geschäft weiterzuführen, es anstellen soll, sich keine Sorgen zu machen, hat er mir nicht gesagt. Wenn ich ihn besuche, fragt er jedes Mal zuerst, wie das Geschäft läuft, und ich sage ihm jedes Mal, alles geht bestens. Wer macht hier also wem was vor?»
    «Also, jetzt wo ich hier bin, kann er sich beruhigen. Ich werde ihn morgen gleich besuchen und ihm sagen, dass ich hier bleibe, solange er mich braucht. Ich habe meine Wohnung aufgegeben und die Möbel verkauft. Ich habe alle meine Sachen mitgebracht.»
    «Das wird ihm natürlich helfen. Aber …»
    «Aber was?»
    Auf einmal waren die Angst und die Sorge zu viel für sie. Sie presste die Lippen zusammen, um nicht zu schluchzen, konnte aber nicht verhindern, dass ihr die Tränen über die Wangen strömten.
    «Aber Ma! Was ist denn los?»
    Mit den Fingerspitzen wischte sie sich die Tränen ab, dann stand sie unvermittelt auf und ging zur Flurgarderobe, wo sie ihre Handtasche abgelegt hatte, um sich ein Taschentuch zu holen.
    «Was ist denn, Ma? Was bedrückt dich? Hast du mir etwas verschwiegen?»
    «Ich … ich weiß, ich sollte überhaupt nichts sagen. Ich sollte dankbar sein, aber …» Plötzlich gewann ihr Kummer die Oberhand über ihre Erschöpfung. «Sieh dich doch an!», klagte sie. «Du willst zu deinem Vater gehen und ihm sagen, dass du den Laden übernimmst. Und er sieht dich mit diesen Haaren, mit dem Bart und den geflickten Kleidern, während er selbst immer so adrett und sauber ist. Du willst ihm sagen, er kann sich beruhigen, genau wie der Doktor ihm immer sagt, er soll sich nicht aufregen. Das hat ihm gerade noch gefehlt, um ihn zu beruhigen – dass du ihm das sagst.»
    «Hör zu, mein Bart und wie ich mich anziehe ist meine Sache.»
    «O ja, ich weiß. Der Bart ist wegen der Religion, sagst du. Und die Kleider, die sind wegen der Freiheit und Unabhängigkeit. Und die Stiefel? Mein Großvater – ich hab ein Bild von ihm in der alten Heimat –, der trug auch Stiefel, aber das war wegen des Matsches und dem Schnee. Und wenn dein Vater dir nun sagt, er will nicht, dass du im Laden arbeitest, so, wie du angezogen bist und mit dem Bart, dann kommst du wahrscheinlich wieder nach Hause und erzählst mir, du hättest ihm eine Chance gegeben, aber er hätte sie nicht ergriffen, und du wolltest nach Philadelphia zurück. Oder vielleicht denkt er auch daran, wie schwer ich arbeiten muss, und sagt überhaupt nichts, sondern liegt einfach da und macht sich Sorgen.»
    «Schon gut, schon gut», schrie er sie an. «Morgen gehe ich zum Friseur und lasse mir die Haare wie ein Bankangestellter schneiden. Ich habe durchaus normale Kleider; die werde ich anziehen. Sogar ein weißes Hemd. Wenn du willst, gehe ich sogar im Smoking ins Geschäft.»
    «Ach, Arnold, das wird wie Medizin für ihn sein!»

36
    Auf sein Klingeln öffnete Leah die Haustür, so weit es die vorgelegte Kette zuließ. Sie starrte ihn an; dann erkannte sie ihn. «Akiva!» Sie schloss die Tür, um die

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