Am Mittwoch wird der Rabbi nass
nichts vor, David. Cy stimmt normalerweise nicht mit Kaplan, aber diesmal hat er dafür gestimmt. Und warum? Weil es ganz natürlich ist. Was will die Synagoge mit einem Häuserblock? Das gibt nur Scherereien. Und dann kommt jemand und bietet einen hervorragenden Preis. Da ist es doch nur natürlich, dass sie den akzeptieren.»
«Aber sie haben auch für den Kauf des Grundstücks in New Hampshire gestimmt», wandte der Rabbi ein.
«Warum auch nicht? Was sollen sie denn mit dem vielen Geld anfangen? Die Gehälter erhöhen? Die Abgaben senken? Die Hypothek ist abbezahlt. Die Gebäude sind in gutem Zustand. Einige Synagogen richten, wie ich gehört habe, Reservefonds ein, auf die sie in Notfällen zurückgreifen, aber die Leute sind der Ansicht, dass das nur einer Aufforderung an den Rabbi, den Kantor und die Lehrer der Schule gleichkommt, höhere Gehälter zu verlangen. Außerdem hat Kaplan äußerst clever die beiden Anträge zu einem Paket verschnürt. Das hätten Sie nur mit einem sehr großen politischen Einfluss stoppen können. Und den Beschluss aufzuheben wird Ihnen noch schwerer fallen.»
«Ach, ich weiß nicht.»
«Seien Sie realistisch, David! Wen haben Sie schon auf Ihrer Seite? Im Vorstand keinen, bis auf zwei ehemalige Präsidenten, die fast an keiner Sitzung mehr teilnehmen.»
«Nun, im Vorstand vielleicht nicht, aber in der Gemeinde …»
Brooks schüttelte den Kopf. «Die meisten kennen Sie ja nicht mal», sagte er mitleidig.
«Jetzt hören Sie aber auf!»
«Nein, wirklich, David! Gewiss, sie wissen, wer Sie sind, aber damit hat sich’s auch schon. Die sehen Sie nur an den hohen Feiertagen, das sind nur ein paar Tage im Jahr. Na schön, diejenigen, die regelmäßig die Freitagabendgottesdienste besuchen, werden Sie kennen, aber mehr als fünfundsiebzig, höchstens hundert werden Sie nie zusammenkriegen. Außerdem müssen Sie berücksichtigen, dass Sie kennen nicht gleichbedeutend ist mit Sie mögen. Im günstigsten Fall steht es in dieser Hinsicht fünfzig-fünfzig, denn Sie machen’s den Leuten nicht leicht, Sie zu mögen, David. Wissen Sie, wer Ihr bester Bundesgenosse ist? Die Trägheit. Das ist Ihr Trumpf im Ärmel. Einen Rabbi abservieren bedeutet Ärger, heißt, dass man aktiv handeln muss. Und die Menschen sind nun mal geistig und gefühlsmäßig träge. Sie werden Sie nicht abservieren, aber das heißt nicht, dass sie Sie bei einer Auseinandersetzung mit dem Vorstand unterstützen werden. Und vergessen Sie bitte nicht, dass es in diesem Jahr noch schlechter steht als sonst.»
«Warum steht es in diesem Jahr schlechter, Morton?»
«Weil Sie in den anderen Jahren auf das orthodoxe Element zählen konnten, aber das sind Kaplan und seine Gruppe, und die sind in diesem Jahr Ihre Gegner.»
Der Rabbi lächelte. «Was raten Sie mir also?»
«Stellen Sie sich nicht gegen sie, David. Lassen Sie’s gut sein. Die haben Sie geschlagen, nehmen Sie die Niederlage wie ein guter Sportsmann.»
«Warum sind Sie so besorgt, Morton? Inwiefern sind Sie davon betroffen?»
Brooks starrte ihn verwundert an. «Ich bin Ihr Freund.»
«Ach so.»
«Außerdem haben wir uns im Laufe der Jahre aneinander gewöhnt. Wer weiß, wie ein anderer Rabbi wäre.»
38
Während der Sekretär das Protokoll verlas, zählte der Rabbi die Anwesenden: Zwölf saßen außer ihm rund um den Tisch. Das waren fünf oder sechs mehr, als normalerweise an den Vorstandssitzungen teilnahmen, und er schloss daraus, dass Kaplan heftig die Werbetrommel gerührt hatte. Selbst in den Anfangsjahren, als der Vorstand aus 45 Mitgliedern bestand, wurde jeder, der sich dafür interessierte oder den man dazu bringen konnte, sich dafür zu interessieren, in den Vorstand gewählt. Trotzdem waren kaum jemals mehr als fünfzehn bei einer Sitzung anwesend. Und auch jetzt, da der Vorstand achtzehn gewählte Mitglieder hatte, chai , dazu die Amtsträger und die ehemaligen Präsidenten, war fünfzehn immer noch die äußerste Zahl, die sie bei einer Sitzung zusammenbringen konnten, was allerdings den Vorteil hatte, dass sie ein unbestritten beschlussfähiges Quorum bildeten. Von den Anwesenden rechnete der Rabbi die Hälfte zu den direkten Verbündeten des Präsidenten. Sie standen auf der Vorschlagsliste, die Kaplan präsentiert hatte, als er für die Präsidentschaft kandidierte; sie nahmen stets am minjen teil; in aller Wahrscheinlichkeit begleiteten sie ihn auch zu den Klausuren in New Hampshire. In einigen anderen, wie Dr. Muntz und Paul
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