Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
Vom Netzwerk:
Teufel im Gazastreifen – die haben das meiste abgekriegt. Und wieso? Weil die Terroristen nicht wollen, dass ihre Leute mit uns zusammenarbeiten. Sie wollen nicht, dass es ihnen gut geht, weil sie dann vielleicht zu der Überzeugung kommen könnten, dass sie mit uns besser dran sind als unter arabischer Herrschaft.»
    Er wippte mit seinem Stuhl, während er das dunkelhäutige Gesicht seines Assistenten beobachtete, und kam zu einem Entschluss. «Hören Sie zu, Aaron, das amerikanische Ehepaar in der Victory Street können Sie für eine Weile vergessen. Oder überlassen Sie das einem Ihrer Leute. Ich möchte, dass Sie sich die nächsten Tage in der Universität rumtreiben. Keine Uniform. Unterhalten Sie sich mit den sephardischen Studenten; sie stehen besser mit den Arabern. Zumindest sprechen sie Arabisch und können etwas gehört haben. Kennen Sie welche?»
    «Den Sohn von meiner Schwester.»
    «Ausgezeichnet. Gehen Sie zu ihm, er soll Sie mit den anderen bekannt machen. Vielleicht suchen Sie auch Professor Robinson auf und informieren sich so weit wie möglich über das Projekt, an dem Carmi gearbeitet hat.»

19
    Das Rezept mit den kurzen, schwungvollen Gottesdiensten am Freitagabend erwies sich in Barnard’s Crossing als erfolgreich. Innerhalb von zwei Monaten gelang es Rabbi Deutch, die Besucherzahl zu verdoppeln. Die direkte Benachrichtigung durch die Post trug auch etwas dazu bei, aber wie Malcolm Slotnik richtig bemerkte: «Wenn die Vorstellung nicht der Ankündigung entsprochen hätte, wäre keine Zweitaufführung drin gewesen.» Bei der überwiegenden Mehrzahl der Teilnehmer war die Teilnahme zur Gewohnheit geworden.
    «Freitagabend? Oh, Freitagabend geht’s leider nicht. Da sind wir in der Synagoge … Na ja, fromm sind wir auch nicht, aber man verbringt einen angenehmen Abend. Man kommt mal raus … und natürlich ist der Rabbi ein Schatz, und Betty Deutch – also wir sind so gute Freunde geworden, dass ich das Gefühl hätte, ich lasse sie im Stich, wenn ich am Freitagabend nicht zum Gottesdienst komme. Sie ist wirklich eine bezaubernde Person. Eine geborene Stedman – Dan Stedman vom Fernsehen, Sie wissen schon …»
    Natürlich gab es Kritiker. Meyer Paff zum Beispiel. «Ich sag ja nicht, dass der neue Rabbi nicht gut ist. Ich sag bloß, vielleicht ist er zu gut. Wenn einer zu reden anfängt, schau ich auf die Uhr. Spielt keine Rolle, ob’s ’ne politische Rede ist oder ein hochgestochener Vortrag, zu dem mich meine Frau schleppt, oder ein Rabbi, der ’ne Predigt hält – ich schau auf die Uhr, wenn er loslegt, und wenn er aufhört, schau ich wieder auf die Uhr. Bei Rabbi Deutch dauert’s durchschnittlich fünfzehn Minuten. Manchmal sind’s siebzehn oder achtzehn, aber gewöhnlich sind’s fünfzehn Minuten vom Anfang bis zum Schluss. Er bringt’s ja gut, das will ich ihm gar nicht absprechen, aber trotzdem sind’s fünfzehn Minuten. Ja, und da rechne ich eben. Ich kann nichts dafür; ich rechne die ganze Zeit, vielleicht weil ich’s mein Leben lang getan hab. Also nehmt mal fünfzehn Minuten und multipliziert das mit der Anzahl der Freitage – na, sagen wir fünfunddreißig, weil’s im Sommer natürlich keinen Gottesdienst am Freitagabend gibt –, das macht zusammengerechnet knapp neun Stunden. Und jetzt teilt ihr das, was wir dem Mann zahlen, durch neun … Ich sag euch, da kommt ein verdammt hoher Stundenlohn bei raus. Und genau das meine ich, wenn ich sage, er ist gut. Wer die Moneten pro Stunde machen kann, ist nicht nur gut … der ist sogar sehr viel mehr als gut. Aber dann fang ich an, mich was anderes zu fragen: Kann der Mann überhaupt ’ne lange Rede halten? Hat er für ’ne lange Rede genug zu sagen?»
    Beim Gottesdienst zu Purim bewies Rabbi Deutch zumindest, dass er eine lange Rede halten konnte. Nach Meyer Paffs Uhr dauerte seine Predigt fünfzig Minuten. Es war der erste Feiertag seit seiner Ankunft; die Synagoge war fast voll. Der Titel seiner Predigt lautete: «Die Geschichte von Purim; Tatsache oder Fabel?» Dutzende von Gemeindemitgliedern kamen nachher zu ihm, um ihm zu versichern, bisher hätten sie die Bedeutung des Festtages nie richtig begriffen, erst jetzt sei sie ihnen klar geworden. Und Bert Raymond telefonierte am folgenden Abend: «Ich musste einfach anrufen, Rabbi. Ich hab so viele anerkennende Worte über Ihre Predigt gehört, dass ich Ihnen unbedingt sagen musste, wie dankbar wir sind.»
    Rabbi Deutch war ungemein erfreut. Nachdem er aufgelegt hatte,

Weitere Kostenlose Bücher