Am Rande wohnen die Wilden
entscheidenden Situation hatte er um eine Vollversammlung gebeten, die einen Plan der weiteren Schritte beschließen und eine Auswertung der Fehlleistungen vornehmen sollte.
Auf Akuls Vorschlag hin hatte sich die überwiegende Mehrheit der Expeditionsteilnehmer für eine tiefgreifende Veränderung der Leitungsart ausgesprochen. Es hatte sich gezeigt, daß selbst der Tentakel nicht in der Lage gewesen war, eine optimale Entscheidung zu treffen. Das war an sich kaum verwunderlich, wenn man bedachte, daß seine Informationen sich auf das bisher bekannte Universum bezogen, daß es ihm völlig an abstrahierbaren Werten über die Menschen und ihre Gesellschaft fehlte. Da er sich bei seinen Entscheidungen ausschließlich auf bekannte Vorgänge stützte, mußte notwendig eine Entscheidung herauskommen, die auf mornischen, nicht aber auf irdischen Verhältnissen beruhte.
Niemand hatte Faunian vorgeworfen, daß er dem Tentakel, der eine Landung abgelehnt hatte, vorbehaltlos folgen wollte. Aber man hatte Schlußfolgerungen daraus gezogen.
Akul hatte die Meinung vertreten, daß es Angst vor einer persönlichen Entscheidung gleichkomme, wenn dem Tentakel die Wahl über Dinge gelassen werde, die er nicht oder nur unvollständig entscheiden könne. Akul war es auch gewesen, der zum erstenmal von emotionalen Entscheidungen durch die Mornen sprach, ohne die man zu keinerlei vernünftigen Ergebnissen komme, das habe die Korrektur der Rechnerentscheidung bewiesen.
Gewiß, es gab viele Teilnehmer, die sich gegen den ungewöhnlichen Begriff der emotionalen Entscheidung wehrten, aber im Grunde hatte Akul recht. Und auch Faunian hatte mit ernstem Gesicht zugestimmt. Er allein sei offensichtlich nicht in der Lage, die schwere Bürde der Entscheidung zu tragen. Anders, meinte er, sei sein Versagen in einigen Fällen nicht zu erklären. Auch habe er sich durchaus nicht hinter der Entscheidung des Tentakels verstecken wollen, sondern es lediglich für richtig befunden, die gespeicherten Informationen zur Entscheidungsfindung heranzuziehen.
Die schließlich herausgearbeitete Lösung befriedigte Bojan zwar nicht ganz, aber unter den besonderen Bedingungen der Expedition gab es kaum eine Alternative. Es war beschlossen worden, die Leitung einem Koordinationszentrum zu übertragen, das aus Faunian, Birrha und ihm bestand. Es blieb also bei einer zentralen Leitung.
Bojan freute sich darüber, daß sich Faunian weiterhin für die Aufgaben der Leitung zur Verfügung stellte und sich nicht schmollend zurückzog. Auf seine Erfahrung konnte nicht verzichtet werden. Er glaubte nicht, daß sie auf die junge Birrha, die in die Leitung delegiert worden war, um sich mit den besonderen Aufgaben vertraut zu machen, in vollem Maße zählen konnten.
Es war gut, daß Faunian dabeiblieb, denn er selbst bildete sich nicht ein, bessere Leitungsmethoden als ihr ehemaliger Leiter zur Verfügung zu haben.
Sinnend blickte er auf den Rundsichtschirm. Der Disko lag in der Bucht von San Francisco in unmittelbarer Nähe einer Brücke, deren Pylone wie warnend aufgereckte Finger in den Himmel stachen, von deren Spitzen die Tragseile wie ein feines Netz herniederhingen. Tragflächenboote zogen weiße Schaumstreifen auf die glatte blaue Fläche.
Ihre Ankunft schien das Leben der Menschen in keiner Weise verändert zu haben. Sie hatten ihnen Helfer und Betreuer gestellt, sie unterstützten sie, wo sie nur konnten, und ihre Wissenschaftler schienen an allem interessiert. Und doch war es, als gäbe es einen Abstand, eine Schwelle zwischen Menschen und Mornen, die noch keine der beiden Seiten überschritten hatte.
Woran mochte das liegen? Konnte man den Abstand in der Evolution dafür verantwortlich machen, oder lag es einfach an der Unterschiedlichkeit ihrer beiden Welten? Oder waren tatsächlich die Zwischenfälle, die sich am Anfang der Kommunikation ereignet hatten, der Grund dafür? Wollten die Menschen zu verstehen geben, daß sie sehr wohl die Gefahren erkannt hatten, die die Mornen durch ihre Unachtsamkeit heraufbeschworen hatten? Bojan fühlte, daß sich seine Gedanken im Kreise zu drehen begannen, und er war froh, als Tekla leise in seine Kabine trat. Still setzte sie sich an seine Seite und blickte auf das Treiben in der Bucht unter der Golden Gate Bridge. Er versuchte einen ihrer Gedanken zu erreichen, mußte aber einsehen, daß sie sich gut im Zaum hielt. Sie hatte das Netz ausgeschaltet und blieb verschlossen. Lange saß sie und schwieg und beobachtete die
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