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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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diene.
    Unangenehm berührt war sie von der Art, in der Bojan den Menschen seine Erklärungen gegeben hatte. Man merkte ihm an, daß er sich übertriebene Mühe gab, sich dem mangelnden Erkenntnisstand der irdischen Wissenschaft anzupassen. In den ersten Stunden hatte er gesprochen wie zu unmündigen Kindern. Erst später hatte sie festgestellt, daß den Mornen jede Art von Überheblichkeit fremd war und daß er nur seinem Wunsch, sich möglichst verständlich auszudrücken, folgte.
    Er hatte die Produktionsmethoden auf Morn erläutert, hatte ihnen große, unter der Planetenoberfläche liegende Werke vorgeführt, in denen ausschließlich Automaten beschäftigt waren, sich selbst organisierende kybernetische Systeme, die jede körperliche Arbeit ihrer Schöpfer beseitigt hatten. Bereits das Stadium der Konstruktion wurde mit Hilfe von Molekularrobotern, die ihre Aufgaben durch die Planung des Zentraltentakels erhielten, abgedeckt. Ähnliche Roboter erledigten die Stadien der Materialbeschaffung, der Montage und auch der Auslieferung.
    Karin hatte den Eindruck einer verwirrenden Vielfalt von blitzenden Maschinenteilen zurückbehalten, zwischen denen kein Platz für ihre Schöpfer geblieben war. Über allem aber bewegten sich spinnenfingrige Reparaturautomaten, die mit ihren starren elektronischen Augen unablässig nach einer Unterbrechung im allgemeinen Produktionsfluß suchten, um sie ohne den geringsten Verzug zu beseitigen.
    Nach Bojan schilderte eine Frau, die Karins Meinung nach noch recht jung sein mußte, einige Grundzüge des täglichen Lebens auf Morn. Die junge Frau, eine Biologin, deren Name Karin entfallen war, zeigte vor allem, welche Mühe man darauf verwendete, den Körper mit Hilfe sportlicher Übungen gesund zu erhalten. Tatsächlich konnte diesem Gebiet gar nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet werden, da die Technik ihren Schöpfern nahezu alle körperlichen, auch die leichtesten, Betätigungen der Produktionssphäre abgenommen hatte.
    Die Frau erwähnte aber auch, daß nach einer Zeit ständiger Leistungssteigerung vor einigen Jahrhunderten eine Stagnation eingetreten war und daß heute nur noch Sportarten — unter ärztlicher Aufsicht — ausgeführt wurden, die mit der Konstitution der Mornen vereinbar waren.
    Karin akzeptierte die Meinung der Biologin, daß es nicht vernünftig sei, Superathleten auszubilden, obwohl sie nichts dagegen hatte, hin und wieder die athletischen Körper der Leistungssportler zu bewundern, die ihre Ziele immer weiter steckten. Notwendig für die Existenz der Menschheit waren diese Extreme jedoch nicht.
    Sie hörte aber auch andere Töne aus den Ausführungen der jungen Frau heraus: Hinweise darauf, daß die körperlichen Leistungen auf ihren Planeten stagnierten, ja vielleicht sogar unmerklich zurückgingen, daß immer mehr Kinder genetischer Korrekturen bedurften. Zwar seien diese Erscheinungen mit steigender Technisierung einhergegangen, erläuterte die junge Frau, aber die Wissenschaftler lehnten den Gedanken an einen Zusammenhang ab. Vielmehr hätten sie gewisse Abhängigkeiten von der Temperaturkurve des Zentralgestirns festgestellt, die unmerklich, aber doch stetig abfiel.
    Karin Bachfeld erkannte neidlos an, daß es auf Morn gelungen war, in fast allen Bereichen ausschließlich optimale und rationelle Lösungen zu finden. Theater, Bibliotheken und Bildungszentren verrieten ein Niveau der Kultur, das von dem der Menschen mindestens ebensoweit entfernt war wie der eine technische Stand vom anderen.
    Es war ein Grundzug des sozialen Verhaltens der Mornen, daß in jedem Falle die Gemeinschaft und ihr Nutzen im Vordergrund standen. Alles, was sie taten, geschah im Interesse der Gesellschaft und in Übereinstimmung mit ihr.
    Es hatte nicht ausbleiben können, daß bei den Menschen die Frage nach den Einzelwesen auftauchte, nach seiner Stellung, seinem Leben. Aber alle Antworten darauf blieben unklar. Noch hatten die Menschen nicht erfahren können, ob es bei den Mornen etwas gab, das auf der Erde als Intimsphäre bezeichnet wurde. Karin gestand sich ein, daß es wohl kaum einen Menschen geben würde, der bereit war, sich diesen Lebensbereich nehmen zu lassen, und sie war erstaunt über die Verwunderung der jungen Mornin, als sie von der Bedeutung erfuhr, die die Menschen diesem Teil ihrer Kultur beimaßen. 
    Sie nahm sich vor, bei passender Gelegenheit erneut mit ihr über dieses Thema zu sprechen. In San Francisco hatte sie weder die Zeit noch eine Möglichkeit mehr

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