Am Rande wohnen die Wilden
ihrer jetzigen Kultur Jahrtausende gedauert. Konnte man eine über derartig lange Zeit gewachsene Lebensauffassung, und sei es auch nur teilweise, einfach in die Menschen implantieren?
Aber auch wenn das unmöglich war, die Menschen würden auf alle Fälle von den Mornen profitieren. Vielleicht nicht so sehr auf technischem Gebiet, viel wichtiger erschien ihr dabei die psychologische Seite. Mußten die Menschen unter dem Eindruck dieser Zivilisation, der sie sich gegenübersahen, unter dem Eindruck dieser Wesen, bei denen es keine Lüge, keinerlei Falsch gab, nicht einfach besser werden? Mußten sie nicht versuchen, die gleiche innere Reife wenigstens annähernd zu erreichen?
Sie war erstaunt, als sie feststellte, daß am Ende ihrer Gedankenkette immer wieder die Erinnerung an Lester Sullivan stand.
Karin erhob sich, reckte sich wie ein nach langem Schlaf Erwachender und trat an das große, bis zum Boden reichende Fenster. Ein heftiger Wind, der aus der finnischen Bucht herüberwehte, bog die gelblichen Gräser zu Boden.
Sie nahm sich vor, ein Stück am Strand entlang zu wandern, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen und vielleicht sogar ein Stück zu schwimmen. Und nachdenken würde sie, über sich, Lester und die Mornen.
Morgen würde sie wieder nach San Francisco fliegen und dort ihre Gruppe übernehmen. Sie und Wolfram Bracke würden zusammenarbeiten. Sie versuchte sich an den »Mann vom Mond«, wie sie ihn innerlich öfter genannt hatte, zu erinnern, aber es fiel ihr nicht leicht. Immer wieder drängte sich Lesters schmales Gesicht in den Vordergrund. Auch ihn würde sie in San Francisco wiedersehen, aber sie würde nicht versuchen, ihm seinen Trugschluß auszureden. Und sie würde ihm nicht sagen, daß.
Sie dachte den Gedanken nicht zu Ende. Unwillkürlich legte sie beide Hände auf den Leib, lachte über diese Bewegung, die sie albern nannte, denn noch war sie nicht sicher, daß sie ein Kind haben würde. Als sie zum erstenmal vermutete, daß sie schwanger sei, noch in San Francisco, hatte sie sich gefreut, gefreut, weil sie und Lester vielleicht ein Kind haben würden. Dann, als Lester gegangen war, war sie zuerst entsetzt, dann nur noch traurig gewesen. Und heute freute sie sich wieder, hoffte, daß es sich als wahr erweisen würde. Mit Freuden würde sie dem Kind das Leben schenken, ein Leben mit ganz neuen Perspektiven, unter einer helleren, klareren Sonne, als es sie jemals gegeben hatte.
Dann aber sprangen ihre Gedanken wieder zu den Mornen. Wie würde sie auskommen mit diesen überschlanken Wesen aus der unendlichen Ferne des galaktischen Zentrums?
Als sie die Verandatür öffnete, sprang ihr der kalte Nordwind ins Gesicht, fraß sich durch die wärmende Jacke und spielte ausgelassen mit ihrem Haar.
BOJAN
Bojan war unzufrieden. Die Landung auf dem Planeten Erde und die ersten Begegnungen mit seinen Bewohnern hatten unter Begleitumständen stattgefunden, die man kaum noch entschuldigen konnte.
Die Fehler und Fehlentscheidungen, die zu diesen Begleitumständen geführt hatten, wären eigentlich dazu angetan gewesen, eine Katastrophe herbeizuführen.
Eine Landung auf einem von intelligenten Wesen bewohnten Planeten ohne vorherige Kontaktaufnahme, ein Fastzusammenstoß mit einer Orbitalstation der Erdbewohner, der Zwischenfall mit den beiden Menschen im Wasser, die durch Schuld der Expedition verletzt oder doch geschädigt worden waren, das alles hätte ohne weiteres zur Vernichtung von Menschenleben führen können. Und auch ohne diese Verluste waren die Zwischenfälle nicht dazu angetan, dem angestrebten freundschaftlichen Verhältnis Vorschub zu leisten. Eigentlich hatte er erwartet, daß die Kontaktaufnahme erheblich erschwert werden würde.
Daß die Menschen ihnen trotzdem mit Freundschaft und Hilfsbereitschaft entgegentraten, versuchte er mit ihrer eigenartigen Mentalität zu erklären, obwohl er sich eingestehen mußte, daß er sich bei dieser Erklärung nicht ganz wohl fühlte.
Als sie später die Verhaltensweise der Menschen einer ersten gründlichen Einschätzung unterzogen, glaubte er zu erkennen, daß sie in ihrer sozialen Einstellung weiter entwickelt waren, als man es zuerst angenommen hatte und als es die Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse aus dem Orbit durch Faunian ahnen ließ. Trotzdem blieb es unverständlich, daß sie ihnen gegenüber nichts von den Gefahren, die die Mornen heraufbeschworen hatten, erwähnten.
In dieser, nach seiner Ansicht,
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