Am Rande wohnen die Wilden
Boote der Menschen.
»Ich glaube, man könnte sich an diese Welt gewöhnen«, sagte sie und blickte ihn an. Bojan glaubte zu wissen, was sich hinter ihren Gedanken verbarg, aber noch einmal verschloß sie sich. Er entschied sich für Abwarten. Es hatte keinen Sinn, sie zu drängen, sie würde von sich aus sprechen. Und endlich wurde seine Geduld belohnt.
»Was hältst du von unserer Betreuerin?« fragte sie und schaltete das Netz ein.
»Sie scheint mir das Idealbild einer irdischen Frau zu sein. Jedenfalls entnehme ich das den häufig etwas unvorsichtigen Gedanken der Männer dieser Welt«, antwortete er abwartend.
»Sie ähnelt uns mornischen Frauen in keiner Weise«, stellte sie fest. Noch wußte er nicht genau, worauf sie hinaus wollte. »Und doch habt ihr viel Gemeinsames«, sagte er.
»Die Männer der Menschen begeistern sich beispielsweise an ihrem langen hellen Haar, das sie manchmal im Wind schüttelt.«
»Daran ist nichts Eigenartiges, Tekla. Ich sagte schon, daß sie als Schönheit gilt. Die Menschen haben andere Schönheitsideale als wir.«
»Versuchst du die Menschen auch in dieser Beziehung zu begreifen, Bojan?«
Er schwieg einen Augenblick, schien dem Sinn ihrer Worte nachzuspüren. Noch kannte er ihn nicht genau, aber er glaubte zu wissen, was in ihr vorging.
»Ich finde sie schön«, sagte er langsam, als wäge er jedes Wort, »aber in einem anderen Sinn, als du es meinst. Du begreifst nicht, Tekla, warum ein Mann bei dem Anblick dieses flatternden Fells begeistert sein kann, warum er diese Frau begehrenswert findet. Ich begreife es auch nicht mit dem Gefühl, aber mit dem Verstand versuche ich es zu akzeptieren. Sie ist eine Frau der Menschen, ich finde sie schön, wie., wie.« Er kam nicht weiter, winkte ab und sagte, seinen Satz zu Ende bringend: »Aber ich finde sie nicht begehrenswert.« Tekla stimmte ihm zu. »Das meine ich. Du hast mich genau verstanden. Du findest sie schön wie eine gelungene Bildkomposition, wie ein technisch reifes Bauwerk, aber du wirst dich nie für sie als Frau interessieren können.«
Bojan antwortete nicht. Er fühlte, daß Tekla noch nicht alles gesagt hatte, was sie dachte. Vielleicht hatte sie deshalb das Netz abgeschaltet.
»Findest du, daß sie uns ähnlich sind?« fragte sie plötzlich, ohne ihn anzublicken.
Bojan nickte, schwieg aber immer noch. Er glaubte, daß sie jetzt auf den Kern ihrer Fragen kommen würde.
»Gibt es eine Hemmung zwischen ihnen und uns, Bojan?« Endlich war sie beim Thema. Wieder nickte er. »Wenn du eine Hemmung auf sexuellem Gebiet meinst, die gibt es ganz bestimmt. Aber warum fragst du mich? Frage Birrha!«
»Ich habe dich nicht als Mechaniker gefragt, Bojan. Ich wollte deine Meinung als Mann hören.«
»Die habe ich dir gesagt. Als Mechaniker habe ich keine Meinung zu sexuellen Dingen«, versuchte Bojan zu scherzen, »doch du kannst dir ja durchaus noch die Bestätigung der Biologin holen.«
»Ich glaube nicht, daß das nötig sein wird«, sagte sie abschließend. Bojan beobachtete sie. Die schmale Frau hatte ein Problem aufgeworfen, über das er sich bisher keinerlei Gedanken gemacht hatte. Die anderen fremden Intelligenzen, die die Mornen bisher kennengelernt hatten, waren von ihnen derart unterschiedlich im Körperbau, daß der Gedanke an eine Vermischung überhaupt nicht aufkommen konnte. Vielleicht war es in dieser Beziehung gut, daß viele Intelligenzen keine Säuger, sondern Insekten waren.
Hier nun wurden sie zum erstenmal mit ihnen ähnlichen Säugern konfrontiert, bei deren Körperbau man durchaus an eine Vermischung denken konnte, zumindest rein theoretisch.
Es existierte jedoch eine starke emotionale Hemmung, die erste Schranke vor der zweifellos vorhandenen genetischen Hemmung, die jedoch, so hoffte er, nie zur Wirkung zu kommen brauchte.
Er dachte an das Lied »Orchest of Summer«, das sie einst aufgenommen hatten, als sie noch im Orbit kreisten, dachte daran, mit welcher Inbrunst der männliche Mensch seine Partnerin sexuell anzusprechen versuchte, und er dachte an die innige, verfeinerte Sexualität der Mornen, die einfach zu einem unentbehrlichen Bestandteil einer hochstehenden Kultur geworden war.
Bojan sah, daß Tekla sich langsam in ihrem Sessel herumdrehte, daß sie ihn ansah, lächelte, und er wußte, daß seine Gedanken stark genug waren. Sie hatte ihn verstanden, ohne das Netz nochmals eingeschaltet zu haben. Langsam stand sie auf und lehnte sich an ihn.
Gut, daß wir uns über die
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