Am Rande wohnen die Wilden
worden, Versuchsgeräte zur Volksbefragung. Die Zeit war schnellebig geworden. Die ersten in Fabriken der Erde gebauten Gravitationsgleiter flogen bereits ihre Tests, in der Arktis wuchs die Lenkanlage einer Atomsonne aus dem eisigen Boden, der mit mornischen Hitzestrahlern freigelegt worden war. Stundenlang hätten die Sender von Vorhaben berichten können, die die Wissenschaftler der Erde mit Hilfe der Mornen projektiert oder in Angriff genommen hatten.
Und einige der Menschen bereiteten sich vor zum Flug nach Morn, als Abgesandte der Menschheit, und war es ein Wunder, wenn es sich neben einigen Wissenschaftlern technischer, medizinischer, sozialer und ökonomischer Disziplinen auch um Angehörige der beiden Expeditionsgruppen auf der Erde handelte, um die Begleiter der Mornen?
Hinter ihr öffnete und schloß sich leise die Tür. Als sie sich umwandte, sah sie Birrha und Cosita, die zusammen mit Wolfram den Raum betreten hatten. Irgend etwas war mit Bracke. Zwar war sein Gesicht ernst, aber in den Augen saß ein glückliches Lächeln, ganz hinten. Nur wer ihn genau kannte, konnte es sehen. Und sie bildete sich ein, ihn in den vergangenen Tagen genau kennengelernt zu haben. Einen Augenblick lang hoffte sie, die Diagnosegeräte könnten eine Wende zum Guten anzeigen, aber ein einziger Blick belehrte sie, daß sich an den Anzeigen nicht das geringste geändert hatte. Und auch Cositas trauriges Kopfschütteln deutete darauf hin, daß Brackes Gesichtsausdruck andere Gründe hatte.
Es hatte sich eingebürgert, daß man im Krankenzimmer, obwohl die drei Mornen in tiefer Bewußtlosigkeit lagen, nur im Flüsterton sprach. Die Anwesenheit der starren Körper auf den weichen Lagern zwang einfach dazu. So stand sie langsam auf und verließ den Raum, und die drei folgten ihr wortlos.
Draußen neigte sich Wolfram zu ihr herab. »Sie haben eine Überraschung für dich«, flüsterte er geheimnisvoll.
Durch die offene Tür sah sie, daß die beiden Frauen vor den Zelten aus glasklarer Folie standen und auf die Verletzten starrten. Ihre Augen schienen blicklos, und die ohnehin schmalen Lippen waren wohl noch verkniffener als sonst. Dann richtete sich Cosita langsam auf und folgte ihnen auf den langen Gang hinaus. Wie unabsichtlich legte sie den Arm um Karins Schulter und zog sie mit sich.
Welch ungleiches Paar mußten sie abgeben, die überschlanke Mornin mit dem gelben Overall und der Maske vor dem Gesicht und sie, mehr als einen Kopf kleiner und in der hellblauen Schwesterntracht. Und doch tat ihr die freundschaftliche Geste unendlich gut.
Dann hörte sie die gedämpfte Stimme des Translaters: »Als wir erfuhren, daß wir an der Expedition zur Erde teilnehmen sollten, erwartete ich ein Kind. Damals war es noch kein selbständig lebensfähiges Wesen, aber es war bereits sicher, daß wir einen Sohn haben würden.«
Cosita schwieg, und lange waren nur die leisen Schritte der vier zu hören. Karin zog die Stirn kraus. Was sollte diese Einleitung?
»Bei uns Mornen hat es sich eingebürgert, eine Geburt, wie sie auf der Erde üblich ist, zu umgehen. Der Keimling wird aus dem Mutterleib entnommen und künstlich aufgezogen. Das ist einfacher und sicherer. Genetische Korrekturen erfordern einen geringeren Aufwand und sind erfolgversprechender.«
Das alles wußte Karin bereits. Nicht, daß sie diese Methode als richtig empfand. Sie selbst hätte sich nie die Freude auf eine künftige Mutterschaft verkürzen lassen mögen. Sie war bereit, all das Unangenehme einer Schwangerschaft auf sich zu nehmen, denn es wäre ihr Kind gewesen, und rein gefühlsmäßig hielt sie es für besser, dem heranwachsenden Keimling den Schutz des Mutterleibes zu erhalten, solange es die Natur vorgesehen hatte.
Sie war aber auch tolerant genug, die mornische Variante zu akzeptieren, ja, sie war überzeugt, daß diese Methode auch unter den Frauen der Erde eine breite Anhängerschaft finden würde. Was aber sollte dieses Gespräch jetzt? Warum sprach Cosita ausgerechnet jetzt von ihrem Kinde? Fühlte sie nicht, daß sie eine kaum vernarbte Wunde aufriß?
»Ich hatte die Absicht, das Kind auszutragen«, sagte der Translater, »wollte mich gegen die allgemeine Meinung stellen. Aber man gestattete es nicht. Ein Kind in einem Raumschiff erschien ihnen unmöglich. Sie sprachen von mangelnder Kontrolle und individueller Erziehung und lehnten es ab. So ließ ich das Kind entnehmen.«
Was steckte hinter den Worten der Mornin? Langsam begann Karin zu ahnen,
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