Am Rande wohnen die Wilden
bestätigte, daß sie auf dem richtigen Wege war. »Es ist der Keimling eines Menschen«, sagte der Translater. »Aber er wird auf Morn geboren werden.«
Noch immer wehrte sich Karin. »Welche Mutter wird zugeben, daß man ihr Kind.«
Scharf wie Nadeln drangen ihr Cositas Gedanken in das Bewußtsein, und dann wußte sie, daß es kein Zurück mehr gab. Ein letztes Mal bäumte sich ihr Inneres auf. »Aber, das kann doch nicht sein!«
Sie blickte auf Bracke. Sein Gesicht drückte höchste Verwunderung über ihre Reaktion aus, die er für eigenartig, vielleicht für überspannt halten mußte. Aber was wußte so ein Mann vom Mond schon von der Psyche einer Frau, die sich gerade damit abgefunden hatte, ihr Kind verloren zu haben, und der man es jetzt neu geschenkt hatte? Nichts konnte er davon wissen. In diesen Minuten war Bracke nicht mehr als der Arm, der sie stützte. Und nicht weniger!
Nach einer winzigen Zeitspanne völliger Leere stieg ein kleiner Funke Glücks in ihr auf. Die Mornen hatten ihr Kind gerettet, ihr Kind, das nach den auf der Erde geltenden Gesetzen noch nicht einmal als Mensch zählte. Neben dem aufreibenden Kampf um das Leben ihrer Kameraden in den ersten Tagen nach dem Unfall hatten sie noch Zeit gefunden, das Gerät zu montieren und den Keimling zu implantieren.
Karin Bachfeld fühlte, wie der winzige Funke in ihrem Inneren zur Flamme wurde, und dann gab es nichts für sie außer dem Glück.
Sie sah hinüber zu Cosita, und deren Augen schienen ihr noch starrer und lebloser als sonst.
»Dein Kind wird auf Morn geboren werden«, wiederholte der Translater. »Du wirst bei ihm sein, vom ersten Tage seines Lebens an. Du«, und dann blickte sie auf Bracke, »und der Mann vom Mond.«
Sie wußten beide, daß sie die Mornen in deren Heimat, ins Zentrum der Galaxis, begleiten würden. Seit mehreren Tagen wußten sie es, aber es wollte keine rechte Freude darüber aufkommen.
Drüben, in dem kleinen Raum, rang der Vater eines anderen Kindes seit Wochen mit dem Tode, mit einem Tode, gegen den weder die Menschen noch die Mornen ein Mittel gefunden hatten.
Jetzt war es Karin Bachfeld, die der Mornin den Arm um die schmalen Schultern legte. Sie mußte fast auf Zehenspitzen gehen, als sie das Labor verließen, aber sie fühlte, daß Cosita die Geste verstand.
Schon seit Tagen rechnete niemand mehr mit einer Genesung der Verletzten, und trotzdem kämpften sie verzweifelt um die letzten Reste des fliehenden Lebens.
Sechs Wochen nach dem tragischen Unfall am Mekong veröffentlichten die Presse und der Funk einen Aufruf an die Bevölkerung der Region Nord mit folgendem Inhalt:
»In den letzten sechs Wochen hat sich im Befinden der verletzten Mornen keinerlei Besserung eingestellt. Alle Bemühungen der Ärzte, die eingetretenen Schäden zu beseitigen, sind bisher vergeblich gewesen. Nach den letzten Untersuchungen ist im Gegenteil damit zu rechnen, daß sich die zuerst als ziemlich harmlos angesprochenen Wunden weiterhin vergrößern. Die Patienten haben das Bewußtsein nicht wiedererlangt. Die Ärzte des Leningrad-Sanatoriums haben sich in Abstimmung mit den mornischen Spezialisten zu einem letzten Experiment zur Rettung der Verletzten entschlossen.
Die Wunden sollen mit Hilfe von neuen, mit Manipulatoren bedienten Skalpellen ausgeschnitten werden, und im Anschluß wird das gesamte Blut der Patienten gegen Blutkonserven ausgetauscht. Diesen Konserven, die selbstverständlich aus den Vorräten der Expedition entnommen werden müssen, soll ein aus menschlichem Blut gewonnenes Stimulanzserum beigemischt werden, das die Aufgabe hat, das
Fremdblut bei der Bildung von Abwehrstoffen zu aktivieren. Es ist erforderlich, daß möglichst viele Menschen zur Gewinnung dieses Serums beitragen, indem sie Blut spenden.
Menschen, helft den Freunden aus dem Kosmos!«
Soweit der nüchterne Aufruf. Er zeigte nicht annähernd, welche Auseinandersetzungen und inneren Kämpfe die Menschen der Erde und des Planeten Morn durchgestanden hatten, ehe sie sich zu diesem letzten Schritt entschlossen. Er zeigte auch nicht das Entsetzen, dem sich die Mornen gegenübersahen, als sie mit dieser letzten Alternative menschlicher Heilwissenschaft konfrontiert wurden, und ihr verzweifeltes Ringen um eine Entscheidung, die letztlich nur vom Wissen um das unaufhaltsame Sterben ihrer drei Freunde diktiert wurde.
Erst nach Stunden hatten sie sich entschlossen, ihre Genehmigung zu diesem nach ihrem Ermessen ungewöhnlich brutalen
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