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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Schultern und säuberte sich das Trikot.
    Das war einfach zuviel für Stone. Blind vor Wut, lief er in die noch nackte, knallharte Rechte des Gegners und war noch vor dem Kampf ein geschlagener Mann. Er lag mehrere Stunden bewußtlos und konnte zu dem festgesetzten Zeitpunkt nicht antreten. Rod wurde zum Sieger erklärt und stieg automatisch in die dritte Kategorie auf, das Publikum und die Presse rasten. Das Fernsehen, da es die zur Übertragung des Kampfes notwendige Zeit nutzen mußte, nahm den Schlag in Zeitlupe auseinander. Mindestens zehnmal übertrug es die explosive Rechte Rods und das beim Auftreffen des Schlages grauenhaft verzogene Gesicht Stones. Der Boxer Rodney Mahoney erlangte an diesem Tage eine traurige Berühmtheit. Der ruhige und friedliche Computertechniker Rodney Mahoney aus dem Institut in Texas aber war gestorben.
    Rod betrachtete sich im Spiegel, an dem Tausende von Wassertropfen kondensierten und hinabrannen.
    Er blickte in ein schmales dunkles Gesicht mit leicht aufgeworfenen Lippen, das auf einem muskulösen, breit in die Schultern laufenden Hals saß. Die Oberarme ließen unter der spiegelnden Haut eisenharte Muskeln ahnen, aus denen der berühmte Mahoney-Slow kam, ein auf der Außenbahn geschlagener Haken im Zeitlupenstil, hinter dem eine enorme Wucht lag. Lange Zeit hatte kein Mensch begriffen, wieso hinter einem langsam geführten Schlag eine derart vernichtende Wirkung sitzen konnte, und eigentlich begriff es Rod selbst nicht. Er wußte nur, daß dieser Hieb in der Lage war, auch die dichteste Deckung zu zertrümmern.
    Er drehte sich vor dem Spiegel mit vor der Brust liegenden Fäusten und beobachtete das Spiel der unter der Haut springenden Muskeln. Er selbst war mit sich und seinem Körper zufrieden, nur J. F. Brewster war es nicht.
    Rod riß sich zusammen. Wieder drohte er der Faszination des eigenen Körpers, der eigenen Kraft und Leistungsfähigkeit zu erliegen. Wieder begann er zu fühlen, daß es schön war, der Stärkste, der Beste zu sein, aber er dachte auch daran, wie schwer es war, wie reich an Entbehrungen, ganz nach oben zu kommen, und wie demütigend, sich dabei einem Mann wie Brewster in die Hände geben zu müssen. Gewiß, als Computertechniker dort unten in Texas war er einer unter vielen gewesen, aber er hatte gewußt, daß er nicht nur für sich arbeitete. Nein, er hatte es satt.
    Langsam kleidete er sich an. Er wählte lange, ehe er sich für einen leichten hellen Anzug aus Synthesefaser entschied, der mit seiner schwarzen Haut ausgezeichnet kontrastierte. Dann versuchte er die störrischen schwarzen Locken einigermaßen unter Kontrolle zu bringen und schlich sich aus dem Bad. Als er die Treppe zur Garage hinabging, hatte er nur einen Gedanken: Jetzt nur nicht J.F. in die Quere laufen, keine Fragen nach dem Wohin beantworten müssen. Er hatte keine Lust, lange Erklärungen abzugeben. Er wollte den ganzen Trainingsrummel für einige Tage vergessen. Auch dann war noch genügend Zeit, sich für den großen Kampf gegen Lucky Jenkins, Amerikas Nummer eins im Boxsport, vorzubereiten.
    Der große Ford sprang mit leisem Raunzen an. Rod trat vorsichtig auf das Gaspedal und ließ den Wagen auf das verschlossene Garagentor zu rollen. Als sich das Tor langsam hob, setzte er sich bequemer zurecht und trat das Pedal durch. Ruckfrei zog der Wagen an, automatisch fielen die Gänge in die optimale Übersetzung. Die Wälder an der Betonpiste nach Lake City schossen mit vibrierendem Summen an den Fenstern vorbei. 
    Die Straße war ohne Gegenverkehr, aber ziemlich schmal. Zwischen den Bäumen blinkte hin und wieder ein Stück Wasserfläche hindurch. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Hunderte von Wasservögeln, die sich auf den weiten Flächen des Sees tummelten. Mehrmals hatte er den Wunsch anzuhalten, aber er tat es nicht. Noch hatte er sich nicht weit genug vorn Camp entfernt, um ganz sicher zu sein, daß ihn J.F. der ihn mit Sicherheit suchen lassen würde, nicht doch noch erwischte. Hier, in unmittelbarer Nähe, würde man ihn mit seinem großen, auffälligen Wagen, der noch aus der Zeit vor der Demokratisierung stammte, schnell finden.
    Er genoß das Fahren auf der freien Landstraße, ließ den Motor laufen und hatte plötzlich das Bedürfnis zu singen. Er war dem Dicken entkommen, zumindest für einige Tage, und er würde sich erholen können. Wie, das wußte er im Augenblick nicht, eigentlich hatte er kein Talent dazu, nichts zu tun, manchmal kam es ihm vor, als fühlte er

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