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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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sich ohne Hast und Hektik nicht wohl. Wahrscheinlich war das auch der Grund gewesen, daß er seinen Beruf, eine gesicherte Stellung im Institut, aufgegeben hatte und nur zu gern bereit gewesen war, den Bildern zu glauben, die ihm Brewster vorgegaukelt hatte. Dort unten in Mexiko hatte er unauffällig gelebt, hier war er Rod Mahoney, der schwarze Rod.
    Manchmal, wenn die Erfolge die Gedanken an die harte Trainingsarbeit verdrängten, hatte er es bedauert, daß es keinen Profisport mehr gab. Er war in diesen Augenblicken sicher, daß er das große Geld verdient hatte. Zwar hatte das Leben eines Boxers im heutigen Amerika noch viel Profihaftes an sich, Geld ließ sich mit Sport jedoch nicht mehr verdienen. Die Region sorgte lediglich für einen gesicherten Lebensstandard. Schließlich mußten die Regeln des Amateurstatus gewahrt bleiben. Aber es gab andere Vorteile. Als Sportler der Extraklasse war man viel auf Reisen, lernte mehr von der Welt kennen als andere junge Leute, und man sah seinen Namen in der Presse, hörte ihn im Rundfunk und Fernsehen.
    Jetzt allerdings fragte sich Rod, ob das alles die Strapazen aufwiege.
    Etwa vierzig Meilen vor Lake City, als die Straße schon breiter, aber auch, wie in vielen Ortschaften üblich, schlechter wurde, sah er einen Menschen am Straßenrand stehen und mit der bei Tramps üblichen Daumenbewegung auf die weit vor ihm liegende Stadt deuten. Er nahm den Fuß vom Gaspedal und ließ den Wagen langsamer rollen. Im Näherkommen erkannte er ein dunkelhäutiges schlankes Mädchen, das eine formlose Tasche neben sich stehen hatte. Das tiefschwarze Haar fiel ihr lang über die Schultern, die schmal waren und in einer speckigen Wildlederjacke steckten. Die lange Hose aus grobem Tuch ließ ihre ehemals dunkelblaue Farbe hinter verwaschenen, grauen Flecken nur noch stellenweise ahnen, überhaupt dominierte das verwaschene Grau, auch auf der an Ärmeln und Rückenpasse mit Fransen verzierten Jacke.
    Rod fühlte den Impuls, sofort wieder Gas zu geben und vorbeizufahren, aber er bezwang sich, obwohl er aus dem äußeren Eindruck, den das Mädchen machte, unschwer darauf schließen konnte, daß es sich bei ihr um eine Landstreicherin handelte. Die Tatsache, daß er trotzdem anhielt, schob er auf ihre Hautfarbe, die noch einen Schein dunkler war als seine eigene. Außerdem sagte er sich, daß es vielleicht interessant sein könnte, einen Menschen kennenzulernen, der, wie noch vor Jahren so viele, ohne Arbeit durch das Land zog, sich sein Brot mit wer weiß welchen Tricks verdienend.
    Als der Ford neben ihr ausrollte, warf sie die Tasche mit kräftigem Schwung auf den Rücksitz und flankte, ohne auf das Öffnen des Wagenschlages zu warten, über die Tür auf den freien Vordersitz.
    »Gottverlassene Gegend!« stellte sie zur Begrüßung fest und hielt ihm die schmale Rechte entgegen. Sie sah ihn nicht an, sondern schaute angestrengt durch die Scheibe auf die Stadt, der sie sich näherten. Trotzdem fiel ihr auf, daß Rod eine Zehntelsekunde zu lange zögerte, ehe er ihre Hand ergriff. Jetzt blickte sie ihn an, warf das Haar zurück und zog die Mundwinkel herunter. Etwas Feindseliges kam in ihr Gesicht.
    »Hab mich eigentlich jeden Tag irgendwo gewaschen«, fauchte sie. »Und im übrigen sieht man den Dreck auf deiner Haut genauso schlecht wie auf meiner.«
    Rod fühlte, daß ihm das Blut ins Gesicht stieg. Er war froh, als sie wieder nach vorn blickte.
    Sie hatte große dunkle Augen und ein schmales Gesicht, aus dem die Backenknochen ein wenig hervorsprangen. Ihre Brauen waren zusammengezogen, und kleine Falten standen über der Nasenwurzel. Sie hätte ihm gefallen können, wäre sie nicht in diesem entsetzlichen Aufzug herumgelaufen.
    »Fertig mit dem Urteil?« fragte sie, ohne den Kopf zu wenden. »Und was ist dabei herausgekommen? Feuerst du mich wieder hinaus?«
    Er mochte diesen gewollt burschikosen Ton nicht. Und eigentlich paßte er auch nicht zu ihr. Genausowenig, wie diese Kleidung zu ihr paßte. Sie schien anders zu sein, als sie äußerlich wirkte. Irgend etwas sagte ihm, daß sie ein netter Kerl sein mußte.
    »Quatsch!« brummte er. »Was geht es mich an, wie Sie sich unter die Menschen wagen? Meinetwegen können Sie sich einen Papiersack überziehen. Ich habe nichts dagegen.«
    »Fatzke!« zischte sie.
    »Angenehm! Rodney Mahoney!« stellte er sich vor.
    Ihr Gesicht wurde einen Schein freundlicher. »Nicht schlecht gekontert. Ich heiße Betty Summer.«
    »Gekontert« hatte sie

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