Am Rande wohnen die Wilden
die drei Menschen voneinander unterschieden, so sehr hatte doch die Ähnlichkeit ihrer Aufgaben Gemeinsames geschaffen.
Sie hatten hellhäutige Gesichter, die auf eine Arbeit in Büroräumen oder Labors hinwiesen, große verträumte Augen, die zeigten, daß sie in der Lage waren, stundenlang mit offenen Augen über bestimmten Problemen zu brüten, und langsame, gleitende Bewegungen, die darauf schließen ließen, daß ihre Handlungen genau überlegt und abgestimmt wurden. Lediglich Bracke paßte nicht ganz in dieses Schema. Bracke war durch seine jahrelange Arbeit im Kosmos, auf dem Vorposten der Erde, zu einem Mann geworden, der für Aurelhomme zu einem der letzten Abenteurer zählte. Nicht sehr groß, aber breit und massig, hatte er den Gang eines alten Fischers, der während seines ganzen Lebens schwankende Planken unter den Füßen gehabt hat. Bracke war einer von denen, die er beneiden konnte.
Aurelhomme lächelte über sich selbst. Er machte diese Studien an anderen Menschen gern, und er wußte, daß er sich dabei selten einmal irrte.
Gerade seine Fähigkeit, sich schnell in andere Menschen hineindenken zu können, hatte ihm in seinem Berufsleben viele Vorteile gebracht. Oft hatte sich Schesternjow an ihn gewandt, wenn es darum ging, Mitarbeiter auszuwählen. Heute war er Ratsmitglied, sogar Sekretär des Rates und Leiter des Subrates auf Zeit. Er gestand sich ein, daß er nicht so gern Leiter war wie Sekretär, aber er würde es hinter sich bringen. Ein Jahr war nicht lang.
Schesternjow hatte einmal behauptet, wenn er sich selbst so gut einzuschätzen verstehe wie seine Mitarbeiter, dann sei er einen Riesenschritt vorangekommen, und er wußte, daß der Alte recht hatte.
Nun, immerhin war er einer von denen, die man für jede Aufgabe, bei der es auf schnelle Lösungen ankam, einsetzen konnte, auch wenn das Ergebnis nicht immer optimal war.
Als sie den Parkplatz erreichten, bog ein alter verbeulter Chrysler von der Straße her ein. Am Steuer saß ein junger Beamter mit der typischen dunklen Schirmmütze, die über der Stirn unternehmungslustig geknifft war. Er winkte aus dem offenen Fenster, als er die vier sah, ließ den Wagen die Auffahrt hinaufjagen und bremste, daß man den abradierten Gummi mit einem Kehrblech hatte auffegen können. »Hallo, MISS!« schrie er. »Kommen Sie vielleicht vom Reg-Rat Nord?«
»Stimmt, junger Mann!« entgegnete Karin.
»Sergeant Bubble, Miss. Steigen Sie bitte ein! Ich bringe Sie zu Chefinspektor Baker.«
Er öffnete die Tür zum Vordersitz und ließ sie einsteigen. Daß sich die drei Männer auf dem Rücksitz zusammendrängen mußten, schien ihn nicht im mindesten zu stören. Außer einem zerkauten »Hallo!« beim Einsteigen hatte er nichts für sie übrig.
Er startete in derselben mörderischen Weise, in der er gebremst hatte. Der Wagen sprang die Auffahrt hinunter, schleuderte in den Lake Drive hinein und raste den ersten Häusern der Stadt entgegen; der Lake North mußte auf der anderen Seite der Stadt liegen.
Sergeant Bubble nahm die engen Kurven des alten Städtchens mit halsbrecherischem Tempo. Als er in den dichter werdenden Verkehr der Innenstadt kam, schaltete er die Sirene ein und schien von diesem Augenblick an ein steifes rechtes Bein zu haben.
Karin blickte das junge Gesicht an ihrer Seite verstohlen an. Der Junge versteckte sein glattes Kinn hinter einem Bart, der noch nicht in der Lage war, ihm das martialische Aussehen zu geben, das er offensichtlich erreichen wollte. Sie lächelte. Und der junge Sergeant lächelte auch.
»Wird höchste Zeit, daß Sie kommen, Miss«, sagte er und kniff die Augen zusammen.
»Warum wird es höchste Zeit, Sergeant? Hat es noch mehr Ärger gegeben?«
»Ich weiß nicht, was Ihnen bereits bekannt ist. Uns reicht es jedenfalls. Die Kerle sind offensichtlich äußerst gefährlich.«
»Ist das Ihre oder die offizielle Meinung?« schaltete sich Aurelhomme ein.
»Wissen Sie, Miss« — er sprach bisher ausschließlich mit Karin Bachfeld —, »ich glaube nicht, daß jemand anderer Meinung ist. Immerhin schreiben die Zeitungen, daß man nicht vorsichtig genug sein kann.«
Karin nickte. »Da haben Sie sicher recht. Aber ist es Vorsicht, wenn der Chefinspektor eine ganze Armada von Gleitern auf die Fremden hetzt?«
Der Sergeant zuckte die Schultern. »Irgend etwas mußte er tun. Er hat einfach versucht, Kontakt zu bekommen. Wie, schien ihm unbedeutend. In der Zwischenzeit sind vom Rat alle Aktionen abgeblasen worden, um
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