Am Samstag kam das Sams zurück
gedonnert an einem Donnerstag!«
»Jetzt singt er auch noch«, murmelte Frau Rotkohl erschrocken und trat noch zwei Schritte zurück. Dann gab sie sich aber einen Ruck, ging ganz vorsichtig auf Herrn Taschenbier zu, legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter und sagte langsam und eindringlich: »Herr Taschenbier, ich glaube, Sie sind etwas überarbeitet. Sie haben wahrscheinlich ziemlich viel Ärger gehabt in den letzten drei Wochen, Ihre Nerven sind ein bisschen gereizt. Sie gehen mal ganz früh ins Bett, ja? Und morgen, am Freitag, bleiben Sie zu Hause, ja? Da machen Sie mal einen Tag frei, ja?«
»Richtig«, sagte Herr Taschenbier. »Am Freitag frei! Ganz recht!«
»Schön, dass Sie so einsichtig sind«, lobte Frau Rotkohl. »Ich werde morgen Ihren Chef anrufen und ihm sagen, dass Sie krank sind und erst am Montag wiederkommen, ja? Und nun lasse ich Sie allein, damit Sie in aller Ruhe ins Bett gehen und richtig schön ausschlafen können, ja?«
»Ja, ja«, sagte Herr Taschenbier gut gelaunt und fing schon wieder an zu singen:
»Am Donnerstag, da donn’re ich,
am Freitag mach ich frei,
dann kommt vielleicht das Hm-hm-hm
am Samstag hier vorbei.«
»Wer kommt vorbei?«, fragte Frau Rotkohl hellhörig.
»Das wird eine Überraschung«, sagte Herr Taschenbier.
»Was, schon wieder eine?«, rief Frau Rotkohl. »Die eine hat mir vollauf gereicht. Gute Nacht!«
»Gute Nacht«, sagte Herr Taschenbier, schloss die Tür, legte sich wirklich ins Bett und blieb da nicht nur die Nacht, sondern auch den halben Freitag.
Am Samstag wachte Herr Taschenbier ganz früh auf. Er versuchte, noch ein bisschen zu schlafen, aber er war zu aufgeregt, es ging nicht. Den ganzen Vormittag blieb er in seinem Zimmer. Immer ungeduldiger wanderte er auf und ab und schaute ständig nach der Uhr. Gegen Mittag kam ihm eine Idee. »Ich Ochse!«, rief er. Dann fiel ihm Herr Mon ein, und er verbesserte sich schnell: »Ich Dummkopf! Das Sams ist mir ja damals auf der Straße begegnet. Ich muss wieder in die Stadt gehen, wenn ich es finden will.«
Hastig zog er seine Jacke an und ging aus dem Zimmer. Frau Rotkohl hatte wohl seine Tür gehört. Jedenfalls steckte sie den Kopf aus der Küchentür und fragte: »Wo wollen Sie denn hin?«
»Spazieren gehen.«
»So so, spazieren gehen. Na ja, besser, als wenn Sie sich wieder solche schaurigen Überraschungen ausdenken wie vorgestern.«
Herr Taschenbier ging zu der Straßenecke, an der er das Sams zum ersten Mal getroffen hatte. Aber da standen keine Leute. Niemand. Kein Sams weit und breit. Er lief durch die Stadt, suchte alle Straßen ab, schaute in die Hauseingänge, öffnete sogar den Deckel einer Mülltonne, weil er etwas darin rascheln hörte. Aber es war nur eine streunende Katze. Das Sams war nicht gekommen. Als es schon dunkel wurde, ging er traurig nach Hause. Frau Rotkohl schaute aus ihrem Wohnzimmer, als er in sein Zimmer ging. »Ach, Sie sind es. Das war aber ein langer Spaziergang«, sagte sie.
Herr Taschenbier gab keine Antwort. Müde und enttäuscht knipste er das Licht an. Leer. Niemand erwartete ihn hier. Wahrscheinlich war das Donnern doch nicht richtig gewesen. Es hätte ein echtes Gewitter mit echtem Donner sein müssen, überlegte er, während er sich auf dem Stuhl niederließ, den er sich zum Donnern aus der Küche geholt hatte.
Kaum hatte er sich gesetzt, brach der Stuhl krachend unter ihm zusammen und Herr Taschenbier landete unsanft auf dem Boden unter dem Tisch.
»Hallo, Papa!«, sagte eine wohlbekannte Stimme hinter dem Tisch. Sie klang recht kleinlaut. »Hätte ich die Stuhlbeine nicht anknabbern dürfen? Bist du mir jetzt böse?«
»Das Sams!«, schrie Herr Taschenbier und sprang voll Freude in die Höhe, ohne daran zu denken, dass er ja unter der Tischplatte saß. »Das Sams! Das Sams ist da!«
Eigentlich hätte er sich den Kopf beim Aufspringen fürchterlich anschlagen müssen. Aber da, wo am Vormittag noch die Tischplatte gewesen war, verdeckte jetzt die glatt gestrichenen Tischdecke ein großes Loch. Nun stand Herr Taschenbier aufrecht zwischen den vier Tischbeinen, hatte die weiße Tischdecke über dem Kopf hängen und fuchtelte in der Luft herum.
»Gute Idee, Papa! Wir spielen Gespenster«, rief das Sams begeistert, als es Herrn Taschenbier so sah, hopste zum Bett, zog das Bettlaken herunter und stülpte es sich auch über den Kopf.
Im selben Augenblick ging die Tür auf. Frau Rotkohl stand draußen und fragte: »Mit wem reden Sie eigentlich? Soll
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