Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
war der eingetuchte Leichnam in einer ausgebrannten Öffnung des Gebildes gut auszumachen. Der Feuerbeauftragte war über eine Stunde lang damit beschäftigt, zu stochern und umzuschichten, damit der Leichnam in seiner prunkvollen Umhüllung sich möglichst gleichmäßig und restlos in einen Haufen Asche verwandeln konnte. Zu guter Letzt kippten einige kräftige Männer den kompletten Thron-Turm auf die Seite und neben die glimmenden Überreste des Bambussarges, sodass der vorherige Sargtransporter kurz darauf ebenfalls Feuer fing. Während alldem hatte sich die Stimmung unter den Anwesenden kaum verändert. Ich weiß nicht, was die Menschen empfanden und ob sie vielleicht ihre Trauer unterdrückten, aber für den unbeteiligten Beobachter wirkte es so, als würden sie gemeinsam mit dem Verstorbenen seinen Übergang in einen anderen Zustand feiern. Es hatte weniger den Anschein eines tränenreichen Abschiedes für immer, nein, es glich eher dem Verabschiedungsfest eines lieben Freundes oder Angehörigen, der nun an einem anderen Ort leben würde, an dem es ihm gut ergeht. Eines Tages würde man ihn wieder treffen.
In den folgenden Tagen auf der Insel Bali habe ich alle Rauchsäulen, die aus dem Dickicht des Waldes in den Bergen und Ebenen emporstiegen, mit anderen Augen gesehen. Ein Bild von menschlichen Seelen, die in freudiger Erwartung gen Himmel steigen, übermannte oft meine gewohnte Ratio.
Die Begräbniszeremonie der Maori wird Tangihanga genannt und kann ähnlich freud- und bisweilen sogar humorvoll verlaufen. Die Seele des Verstorbenen bleibt nach Vorstellung der Maori bis zur Beerdigung im Körper des Toten. Solange der Leichnam im Marae, einer Zeremonialstätte, die besonderen Ritualen und Feiern vorbehalten ist, aufgebahrt wird, lassen die Angehörigen ihn nicht allein. In dieser Zeit fließen viele Tränen, und die Familie, Freunde und Stammesmitglieder haben Zeit, sich von dem Toten zu verabschieden. Nachdem der Körper begraben ist, begeben sich die engsten Freunde und Verwandten wieder zum Marae, um im Sinne des Toten ein Fest zu feiern. Dabei werden viele Geschichten erzählt, lustige Spiele gespielt und Tänze aufgeführt, mit denen die Trauernden zur Lebensfreude zurückfinden können. Wurden früher noch kunstvolle Schnitzereien zur Erinnerung an die Ahnen des Stammes in das Holz des Marae geritzt, so hängen an den Wänden heute meist Fotos, die daran erinnern, dass der jüngst Verstorbene nun unter den Ahnen weilt, sich aber trotzdem noch in der Nähe der Lebenden befindet. So liegen das Leben, der Tod und auch die Freude am Leben ohne jedes Tabu nah beieinander.
Neben den Ehrungen der Toten sind für mich besonders die lebenden Kauribäume interessant. Noch am Morgen waren es für mich einfach nur Bäume mit einem lustigen Namen, die es zu umarmen galt, doch Koro lehrt mich, dass sie weit bedeutender sind und in der Maori-Kultur eine zentrale Rolle spielen.
So ist der T ā ne Mahuta nicht nur der größte Baum dieser Art, sondern auch der Name des Waldgottes, der als Schöpfer verstanden wird. Das ist im Übrigen eine ganz hübsche Geschichte, die entfernt ein wenig an den biblischen Schöpfungsmythos erinnert.
4 Am Anfang der mythologischen Geschichte der Maori gab es nichts. Es gab keine Erde, keinen Himmel, keinen Wald, kein Wasser und kein Handy.
Es gab nur das Dunkel, es gab nur das Te Kore, man könnte auch »das Nichts« dazu sagen.
Und was ist los, wenn es dunkel ist? Na klar, das Übliche: Papatuanuku, die Erdmutter, und Ranginui, der Himmelsvater, sind beisammen und umarmen die Dunkelheit. Dabei müssen sie sich wohl berührt haben, denn es entstanden ziemlich viele männliche Nachfahren. So genau ist man sich da nicht einig, aber irgendwas zwischen 70 und 77. Es waren die Götter der Maori.
Dummerweise wollten die Eltern sich einfach nicht loslassen, und so lebten die Kinder eingesperrt in der Dunkelheit. Um das zu ändern, fassten einige Kinder den Plan, ihre Eltern zu trennen.
Ein eher radikaler Vorschlag kam von T ā matauenga, dem Kriegsgott. »Lasst sie uns töten!«, rief er.
Doch die anderen dachten eher: »Och, nö … nich jetz direkt soooooo …«
Deshalb schlug T ā ne-Mahuta, der Gott der Menschen und Wälder, vor, dass Mama und Papa sich einfach trennen sollten. Es ist zwar nichts Neues, dass Kinder oft als Erste merken, wenn eine Trennung für alle das Beste wäre. Aber auch bei Göttern?!
T ā ne-Mahuta schlug vor, Ranginui sollte im Himmel und Papatuanuku
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