Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
Richtung Osten liegt, also fahren wir einmal quer über die Insel. Viel breiter ist das Land an der Stelle nicht. Vor einem Hotel treffen wir unseren Guide. Ich bin total gespannt. Der erste echte Maori, den ich kennenlerne. Wie sieht er aus? Komplett tätowiert, barfuß, ein Fell um den Oberkörper und vielleicht einen Holzspeer in der Hand?
Meine durch Bilder, Texte und eine Folge Traumschiff geprägte Vorstellung der indigenen Bevölkerung Neuseelands fällt kurz darauf in sich zusammen: Koro ist ein gut gelaunter, braungebrannter junger Mann in Ranger-Klamotten. Untätowiert – jedenfalls, soweit ich sehen kann. Er stammt aus Hokianga, wie die Gegend hier genannt wird, und ist nach ein paar Jahren in Auckland wieder zurückgekehrt, um als G.D.B. für »Footprints Waipoua« zu arbeiten. Leider habe ich mir nicht gemerkt, was »G.D.B.« bedeutet. Stand aber auf der Webseite. Ich vermute mal »Genial Durchblickender Baumführer« oder »Großartiger Demonstrant Brüllkomischens« oder einfach »Gutgelaunter Dödeliger Bouristenführer«.
Quasi reflexartig kommt mir hier der Gedanke, ob Koro eurem ersten Treffen mit ähnlichen Erwartungen entgegensah. Fürchtete er, auf einen großen weißen Kolonialisten zu treffen? Ein Mr. Hoëcker mit Tropenhelm und einer Entourage von Kofferträgern und Leibwächtern, die ihn vor den wilden Maori notfalls unter Einsatz ihrer Vorderlader beschützen sollten?
Oder ist er im Gegensatz zu dir bereits in der Neuzeit angekommen und rechnet einfach nur mit einer Gruppe von Touristen in frisch gewaschener Outdoor-Bekleidung mit der aktuellen Ausgabe eines Reiseführers unter dem Arm?
Die Aufgabe des heutigen Tages ist es also, einen Kauribaum zu umarmen. Das klingt nicht gerade schwierig und auch nicht besonders spektakulär. Aber keine zwölf Sekunden nach der Begrüßung teilt Koro uns mit, dass es unmöglich sei. Man dürfe nicht an die Bäume herantreten. Erstens seien die Wurzeln sehr nah an der Oberfläche und gleichzeitig unglaublich empfindlich. Außerdem gebe es eine Krankheit, die man mit den Füßen von Baum zu Baum tragen würde.
»Kauri dieback disease!«, rufe ich rein.
Verstehend und bestätigend natürlich. Habe ich bereits erwähnt, dass ich im Vorfeld die Wikipedia über Kauribäume leergelesen habe …?
Es wirkt.
Er lächelt mich an, wir sind Freunde.
Die Frage bleibt, wie es weitergeht. Alle reden durcheinander.
»This is the ball«, ruft Katie plötzlich und wirft ihr Handy jemandem zu.
Ich denke erst: Mann, spricht die schlecht Englisch. Dann erinnere ich mich aber an eines der Treffen mit den Werbefachleuten, bei denen die Gesprächsstrategie angewandt wurde: Nur der redet, der den Ball hat. Mangels Ball fliegt da offenbar schon mal ein Telefon.
Nachdem sie uns derart zur Ordnung gerufen hat, überlegen wir nacheinander, wie wir die Aufgabe, die natürlich nicht Aufgabe heißt, sondern Erlebnis, lösen bzw. erleben könnten.
Nach langem Hin und Her frage ich, ob es einen Baum gibt, der von einem offiziell angelegten Rundweg umgeben ist. Auf Englisch, versteht sich.
Keiner reagiert. Stille.
»Bernhard meint, dass man vielleicht einen Baum findet, der von einem offiziell angelegten Rundweg umgeben ist«, übersetzt Renate meinen Satz freundlicherweise ins Deutsche.
»ah das meint er«, sagt Tommy und stellt die Frage dann wiederum Koro auf Englisch.
»That’s what he wants to say«, erwidert Koro, lacht und zeigt auf mich. »Yes, the Four Sisters.«
»ja die vier …«
»IST GUT!«, unterbreche ich Tommy.
Die Vier Schwestern seien vier Kauri-Bäume, die eine gemeinsame Wurzel hätten. Um diese herum sei ein Steg gebaut, erklärt Koro.
Wir sind uns einig, dass es einen Versuch wert ist.
Bevor wir aufbrechen, erzählt Koro, dass die Ortschaft, in der wir uns nun befinden, der Ursprung des modernen Neuseelands sei. Hier hätten die ersten Siedler ihre erste Siedlung angesiedelt. Das habe ich schon mal gehört. Allerdings war das in Russell. Und ich befürchte, es noch öfter zu hören. Überall.
Ich versteh die neuseeländischen Superlative wahrscheinlich einfach nicht gut genug.
Unser Team und Koro steigen in die Autos. Zuerst besuchen wir den Ti Pikinga, einen Aussichtspunkt hoch über Omapere.
Von hier aus haben wir einen herrlichen Blick über den Hokianga Harbour. Das Meer zu unserer Linken geht in einbreites ehemaliges Flussbett über. Während es sich nach hinten ins Land verjüngt, rückt die Küste immer näher an die Wasserkante
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