Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
heran. Das Grün der bewaldeten Hügel verliert immer mehr Kontrast und wird eine einzig schimmernde Fläche.
Es sei ein ehemaliges Flussbett des Hokianga Rivers, wie Koro uns erklärt. Als vor 12000 Jahren die Eiszeit zu Ende war, stieg der Meeresspiegel, und Meerwasser floss ins Tal. Nun bildet es einen natürlichen Hafen, an dem sich mehrere einzelne Ortschaften gebildet haben. Der maorische Name der Stadt »Te Hokianga-nui-a-Kupe« bedeutet in seiner deutschen Übersetzung »Ort der großartigen Rückkehr des Kupe«.
Ich weiß nicht, warum, aber dieser Pathos- geschwängerte Vielwort-Name erinnert mich irgendwie an die Heldengeschichten der nordkoreanischen Staatsführung …
Gegenüber von unserem Aussichtspunkt erstreckt sich Niwa, eine riesige Sandhalbinsel. Meine differenziert gestellte Frage »Hä, what’s thät?« wird freudig aufgegriffen.
»Ursprünglich war diese Landzunge bewaldet«, sagt Koro, »aber Wind und Meer haben riesige Sandmengen auf die Halbinsel gebracht. Nachdem durch den Sand alle Bäume verschwunden waren, lagerte er sich weiter zu diesen Dünen dort ab.« Dank der beiden Naturphänomene Wind und Meer entfaltet sich vor meinen Augen ein grandioses Panorama. Ich blicke bis zum Horizont auf grüne Hügel. Das Wasser glitzert in der Sonne. Und auf der einen Seite der Bucht schimmert die große sandgelbe Spitze der Insel. Wer es mag, kann hier auf Skiern oder Boards die Dünen hinabgleiten. Einheimische mögen das wohl, denn Sand Surfing ist ein beliebter Sport.
… ich möchte die vage Vermutung äußern, dass sie es noch mehr mögen, wenn ausländische Touristen das mögen. Gegen einen gewissen Obolus natürlich. Schließlich ist Neuseeland als Insel der reinen und ursprünglichen Naturerlebnisse ja quasi mit Actiontourismus-Attraktionen gepflastert … das meine ich in einem Reiseführer gelesen zu haben, der immer noch auf meinem Schreibtisch herumvegetiert. Ich gab ihm ein Zuhause, als ich dachte, wir würden gemeinsam das Land der großen weißen Wolke erkunden. Aber du fuhrst dann ja allein …
Bevor ich wieder tränenreich abschweife, organisiere ich mir lieber einen Kaffee. Oder einen Schnaps … Wie geht’s wohl weiter?
Die Option, sich ein Board zu schnappen und die Düne hinabzubrettern, ist nicht mal annähernd in Reichweite, denn schon geht es weiter. Wir wollen zum Waipoua Forest, wo die »Four Sisters« stehen. Dort würden wir dann versuchen, einen Kreis zu bilden, um einen der Bäume zu umarmen.
Auf dem Weg dorthin sitze ich mit Koro vorne im Minibus. Alex, der Kameramann, und Tommy haben in dem Neunsitzer ganz hinten Platz genommen und tun so, als würden sie nachdenken. Wahrscheinlich schlafen sie einfach.
Während sich unsere kleine Karawane aus Minibus, Wohnmobil und Teamfahrzeug immer tiefer die gewundene Straße in den Wald hineinschlängelt, unterhalte ich mich mit Koro. Der Mann ist ein unglaublich spannender Typ. Anders kann man es nicht nennen. Er ist lustig und wissbegierig, außerdem hat er unglaublich viel Interessantes zu erzählen. Und tut das auch.
Da hat er in mir natürlich einen willigen Zuhörer – und Antworter. Ich erzähle ihm von meiner Vorliebe für Bäume und dem Daraufherumklettern. Er versteht, dass ich es liebe, mit Seil und Gurt in die majestätische Krone einer stattlichen Buche emporzusteigen, weil ich so die Kraft und Energie der Natur hautnah erleben kann, wenn die Äste sich im Wind neigen und mich gegen den Stamm schwingen lassen. Und Koro stimmt mit mir darin überein, dass Wald und Berge eh die einzig sinnvolle Topografie und Nutzung von Erdenraum ist. Oder er widerspricht mir zumindest nicht.
Ich möchte mir an dieser Stelle erlauben, Bernhards Outdoor-Reputation zu untermauern. Mit dem »Herumklettern auf Bäumen« meint er nicht das juvenile Gehangel im dichten Geäst eines Apfelbäumchens. Vielmehr versucht der Kollege gern, sich, gut gesichert durch einen Helm und diverse technische Kletterhilfen, über viele Seillängen hinweg in die Krone eines möglichst hohen Vertreters der Gattung Baum emporzukämpfen. Dabei stehen selbst die höchsten Vertreter der heimischen Flora mit bis zu 50 Meter Höhe auf seiner Liste und werden mehr oder weniger erfolgreich bezwungen. Da ich, als sein eingespielter Seilpartner, nicht selten versuche, ihn bei diesen Vorhaben zu unterstützen, kann auch ich von dem überwältigenden Gefühl berichten, das einen überkommt, wenn man Meter für Meter frei am Seil oder durch »ästrige«
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