Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
Gruppe etwas vor,während sie einen weiteren Kauri-Baum in der Nähe ansieht. Das gehört wohl zum klassischen Baumpräsentationsritus.
Dann kehrt Ruhe ein. Tommy, der wie so oft einen Hut trägt, unter dem seine Haare wirr hervorstehen, tritt vor und erklärt ruhig und klar, was nun vor sich gehen werde. Wieder einmal überrascht er mich mit der Fähigkeit, auch im Englischen witzig zu sein. Natürlich würde ich ihm das niemals sagen, wer weiß, ob ihm Lob bekommt. »Sie sind eine Menge, die Bernhard zu sich ruft«, ruft Tommy und benutzt dabei das Wort »crowd«.
»You are the Crowd, we are the Krauts!«, lasse ich mich zu einem kleinen Schenkelklopfer hinreißen.
Keiner lacht, bis auf einen langen, schlaksigen rothaarigen Mann in Shorts und T-Shirt mit schlechten Zähnen. Und schon weiß ich, wer der Engländer in der Runde ist. »Are you British?«, frage ich.
»Yes, hihi, yes, hihi.«
So schnell bestätigen sich Klischees.
Köstliche Anekdote! Ein Tommy wird von dir durch einen kleinen ethnophaulistischen Spaß zwangsgeoutet. Im Übrigen war »Tommy«, genauso wie »Kraut« oder »Fritz«, ursprünglich eine Bezeichnung für die Soldaten des jeweiligen Landes und keinesfalls eine Art Gruppenschelte für alle Einwohner. Die Begriffe haben sich wohl mit den Jahren verselbstständigt.
Überholt ist die Reduzierung deutschsprachiger Staatsbürger auf ihre angedichtete Lieblingsspeise ohnehin. Mittlerweile haben Franzosen und Amerikaner einen wesentlich höheren Pro-Kopf-Verbrauch an vergorenem Weißkohl als Deutsche! Der bayerische Fernsehjournalist Hans Hermann von Wimpffen, der sich in der Sauerkrautforschung einen Namen gemacht hat, fand zudem heraus, dass das Gärerzeugnis mitnichten eine deutsche Erfindung ist. Er sieht das saure Zentralgestirn im Elsass, und uns Deutsche lediglich auf einer krautigen Umlaufbahn. Zugegeben verleibten sich Preußen wie Nazis das Elsass mit großem Machthunger immer mal wieder ein. Vor diesem Hintergrund erscheint es erst recht bedenklich, uns Deutschen ein Faible für Sauerkraut zu unterstellen. Es gab ja gottlob bisher auch keine ernsthaften Bemühungen, Frikandel oder Pierogi, beides ebenfalls kulinarische Vertreter von Opfern des großdeutschen Expansionswahnsinns, als urdeutsche Mahlzeit zu verkaufen. Ich schweife ab …
Interessant wäre es allerdings zu wissen, mit welchen kulinarischen Stereotypen die Maori zu kämpfen haben. Über die Gerichte, welche die britischen Besatzer in Neuseeland eingeschleppt haben, möchte ich an dieser Stelle gar nicht weiter nachdenken. Hast du schon etwas anderes serviert bekommen als dicke Fritten und geback-pappte Teigklopse, in denen sich angeblich grätig-schuppiges Getier versteckt?
Ich habe mich in Neuseeland mal nach maorischen Rezepten umgesehen und musste feststellen, dass in diesen durchweg mit Früchten gekocht wird – allerdings nur mit solchen, die von den Europäern mitgebracht und angepflanzt worden sind. Quasi als lebende Speisekammer sollten sie später noch einmal zurückkehren.
Zugegebenermaßen wird dort vor allem britisch gegessen. Dass heißt, es geht nicht zwingend um lecker, sondern um satt.
Wie bedauerlich. Kein Wildschwein aus dem Erdofen namens Hangi? Keine Paua, also Meeresschnecken, Langusten, Muscheln oder Fische? Weder Beeren noch Kawa-Kawa-Wurzeln oder Blätter vom Horopitobusch fanden den Weg auf eure Teller? Wenn ich auch bei der Acker-Gänsedistel einen leicht bitteren Vorgeschmack empfinde.
Schließlich bilden wir einen großen Kreis, um die Umarmung zu starten. Natürlich ist es ein bisschen gemogelt, weil ich den Baum eigentlich allein umschließen sollte. Aber die haben einfach einen zu großen Umfang. Überdies erwies es sich als hinderlich, dass ich nicht bis an den Stamm herantreten durfte. Da es hier einen Steg gibt, der gleich vier der Kauribäume umgibt, lässt sich dieses Problem aber bewältigen. Die Four Sisters sind kleiner als die Riesensetzlinge ihrer Art. Aber ich schaffe es. Gemeinsam mit Menschen aus aller Welt: Malaysia, Österreich, USA, Schweiz, Deutschland, Japan, Niederlande, Engländer und Neuseeländer in Gestalt von Maori und Europeans … So was nenn ich »eine Welt«. Wer sich so etwas ausdenkt und schreibt, wird wegen Kitschalarm in rosa Plüsch gepackt.
Trotzdem reicht es nicht ganz, und so ziehen die Leute Uhren aus, Jacken und Gürtel und benutzen diese als Armverlängerung, um den Kreis zu vergrößern. Als der Kreis geschlossen ist – ich habe es schon
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