Am Tor zu Atlantis
nicht im Haus bleiben, aber sie getraute sich auch nicht, es einfach zu verlassen. Hätten sich die Vorgänge in der normalen Welt abgespielt, wäre es okay gewesen. In diesem längst versunkenen Kontinent verhielt es sich jedoch anders.
Sie ging zu einem der Fenster und schaute hinaus. Um das Haus herum war die Fläche nicht völlig frei. Häuser nahmen ihr die Sicht. Dazwischen erkannte sie zwar die schmalen Gassen, aber sie waren für sie nichts anderes als dunkle Schläuche. Da war nichts zu sehen und auch nichts zu hören. Alle Bewegungen und sämtliche Laute wurden verschluckt.
Purdy drehte sich, als sie die Stimme von Kara’s Vater erneut hörte. Diesmal sprach er lauter. Und wieder war die Staatsanwältin überrascht, dass sie die Sprache der Atlanter verstand. Da war die verschüttete Erinnerung wieder ausgegraben worden.
»Ich kann nicht länger bleiben, Kara. Ich spüre, dass sich meine Freunde in Gefahr befinden«, sagte Delios.
»Du willst gehen?«
»Ich muss.«
Kara schaute ihrem Vater für einen Moment in die Augen. Sie las dort den unbedingten Willen, sich nicht von seinem Weg abbringen zu lassen, und so blieb ihr nichts anderes übrig, als ergeben zu nicken.
»Ich kenne dich ja, Vater. Ich weiß auch, was du tun musst. Ich weiß, wer du bist, und bitte, ich kann dich daran nicht wirklich hindern. Ich möchte nur, dass du am Leben bleibst.«
»Keine Sorge. Das Gleiche gilt für dich. Aber wenn du angegriffen werden solltest, wirst du dich zu wehren wissen. Denk immer daran, was ich dich gelehrt habe. Außerdem bist du nicht allein. Ich weiß, dass du dieser Frau vertrauen kannst.«
»Ja, Vater.«
Delios ließ sich nicht mehr aufhalten. Mit einer Kopfbewegung deutete er seinen Abschied an. Als er an Purdy vorbeiging und ihr noch einen kurzen Blick des Abschieds zuwarf, da glaubte sie, ein Licht in seinen Augen gesehen zu haben.
Er verließ das Haus. Purdy schaute wieder durch eines der Fenster. Sie sah den Kämpfer mit seinem Schwert in der Dunkelheit abtauchen, als wäre er eine Schattengestalt.
Ihr Herz klopfte schneller. Sie presste eine Hand gegen ihre Brust, um die Furcht in den Griff zu bekommen. Ihr Blick war starr, und als ihr Kara eine Hand auf die Schulter legte, zuckte sie leicht zusammen, drehte ihren Kopf aber der Schönen aus dem Totenreich zu.
Kara lächelte. »Du brauchst dich nicht zu fürchten, meine Liebe. Ich kenne Delios. Er ist mein Vater, und ich weiß, dass er gut ist. Er hat mir viel beigebracht und mich auf das Leben vorbereitet. Ich muss dir ehrlich sagen, dass ich eine sehr gelehrige Schülerin gewesen bin.«
Purdy Prentiss nickte. »Das glaube ich dir, Kara. Aber diese Welt ist so gefährlich und fremd.«
»Stimmt. Nur bin ich hier groß geworden. Ich weiß um die Gefahren, und wir haben es auch gelernt, uns davor zu schützen. Das kann ich dir versprechen.«
Die Staatsanwältin schwieg, denn auch sie kannte diese Welt. Sie hatte hier gelebt, und sie war darin gestorben.
Irgendetwas an ihrem Blick schien Kara zu stören oder nachdenklich zu machen. Sie suchte nach den richtigen Worten und sagte schließlich: »Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen, Purdy, aber ich empfange so etwas wie eine Botschaft. Ich habe den Eindruck, und der überkommt mich stark, dass wir irgendwie seelenverwandt sind. Du und ich. Zuvor habe ich dich nie gesehen, aber ich könnte mir vorstellen, dass wir etwas gemeinsam haben. Das ist seltsam.«
»Aber es stimmt.«
»Willst du mir von deinem Geheimnis berichten?«, fragte Kara leise. »Ich gehe davon aus, dass es ein Geheimnis ist.«
»Ja, das werde ich. Danach wirst du einiges verstehen.«
Verschwunden waren der Druck und die Furcht. Purdy besaß volles Vertrauen zu dieser wunderbaren Frau, und so erzählte sie Kara alles, was wichtig war.
Das Erstaunen der Schönen aus dem Totenreich steigerte sich noch, als sie erfuhr, dass Kara auch in einer anderen Zeit keine unbekannte Größe war.
»Du hast mich gekannt. Oder kennst mich? Auch als der Mensch, der du nun bist?«
»Ja. Es gibt eigene Zukunft nach dem großen Dunkel. Auch für dich, Kara. Dein Vater hat dafür gesorgt. Und du wirst auch in meiner Zeit existieren und versuchen, das Böse zu bekämpfen. Denn es ist mit dem Untergang des Kontinents nicht gestorben.«
Kara war sprachlos geworden. Sie staunte Purdy Prentiss aus großen Augen an. Ihr Mund zuckte. Es dauerte, bis sie nickte.
»Ja, ich stimme dir zu. Es wird anders laufen. Ich kann es zwar nicht begreifen,
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