Am Tor Zur Hoelle
Gewalt betroffen sind
und sich nach etwas anderem sehnen â Frieden
.
Ein jeder hat sein Vietnam. Eine jede hat ihren Krieg. Machen wir uns gemeinsam auf eine Pilgerreise, um diese Kriege zu beenden und wahrhaft in Frieden zu leben.
Kapitel 1
Die Saat des Krieges
Bitte stellen Sie sich vor, es regnet. SchlieÃen Sie die Augen und beobachten Sie, welche Gefühle, Gedanken und Empfindungen sich einstellen, wenn Sie an Regen denken.
Ich bin jedes Mal im Krieg, wenn es regnet, berühre wieder den Krieg. Zwei Regenzeiten hindurch habe ich schwerste Kämpfe durchlebt. Während der Monsune in Vietnam hinterlassen die gewaltigen Wassermassen alles nass durchtränkt und schlammig. Wenn es heute regnet, gehe ich noch immer über Schlachtfelder voller junger Männer, die schreien und sterben. Ich sehe noch immer Baumreihen vor mir, die vom Napalm zersetzt werden. Ich höre noch immer siebzehnjährige Jungen nach ihren Müttern und Vätern und Freundinnen rufen. Erst danach gelange ich an den Ort, an dem es einfach nur regnet.
In Ermangelung eines besseren Wortes schlage ich vor, diese Erfahrungen »Erinnerungsblitze« zu nennen. Es handelt sich dabei um das Wiedererleben von Erfahrungen, die ich noch nicht verarbeitet habe. Es kann passieren, dass ich in einem Lebensmittelladen eine Dose Gemüse aus dem Regal nehmen will und plötzlich von der Angst überwältigt werde, dass die Dose eine getarnte Sprengstoffladung enthält. VerstandesmäÃig weià ich, dass das nicht so ist, aber ich habe ein Jahr lang in einer Umgebung gelebt, in der es so war â und bis zum heutigen Tag bin ich nicht in der Lage, diese Erfahrung in ihrer ganzen Tiefe wirklich zu verarbeiten.
Dies ist nicht nur meine Geschichte. Sie wiederholt sich jeden Tag überall auf der Welt. Jeden Tag durchleben Menschen ihre Kriegserlebnisse und ihre Kindheitstraumata aufs Neue.
Bevor wir an einen Ort des Friedens gelangen, müssen wir mit unserem Leiden in Berührung kommen â wir müssen es umarmen und halten. Das habe ich in den letzten Jahren gelernt. Während der langen Jahre davor habe ich einzig gelernt, wie man Krieg führt.
Lernen, Krieg zu führen
Während der ersten siebzehn Jahre meines Lebens habe ich die Saat der Gewalt in mir gewässert. Nichts, was ich erlebte, sagte mir, dass Krieg nicht in Ordnung sei. Krieg war überall. Ich wuchs in einer Kleinstadt in Pennsylvania auf. Mein Vater hatte wie die meisten Männer im Ort am Zweiten Weltkrieg teilgenommen. Wenn die Männer über den Krieg sprachen, sagten sie nicht die Wahrheit. Weil sie nicht in der Lage waren, die Saat des Leidens zu berühren, die der Krieg tief in sie hineingelegt hatte, sprachen sie über ihn wie über ein groÃartiges Abenteuer. So wurde es an mich weitergegeben.
Als ich siebzehn wurde und mein Vater mir vorschlug, Soldat zu werden, hinterfragte ich dieses Ansinnen nicht. Ich wusste auch nicht viel über Politik; Politik spielte keine Rolle in meinem Leben. Heute weià ich, warum politisches Interesse wichtig ist: Wir müssen wissen, was in der Welt vorgeht, denn was immer geschieht, hat seine Auswirkungen auf jeden von uns.
Mein Vater und die Männer und Frauen seiner Generation waren von Illusion und Verleugnung erfüllt; sie waren nicht in der Lage, Zugang zu der Wirklichkeit ihrer Erfahrungen zu finden. Das wurde weder bei ihnen noch bei mir auf irgendeine Weise gefördert. Doch während des Krieges in Vietnam geschah etwas Ungewöhnliches, etwas, das es vielen von uns unmöglich machte, die Kriegsrealität zu verleugnen.
Ich habe mich freiwillig für den Einsatz in Vietnam gemeldet, weil ich es für richtig hielt. Ich wusste nichts von der Natur des Krieges oder der Natur der Gewalt. Drei Tage nach meiner Ankunft in Vietnam begann ich zu begreifen. Es war irrsinnig. Ich kann es nicht genau beschreiben. Ich konnte und kann es schmecken und riechen und die Leere in den Augen aller um mich herum sehen. Es war, als befände ich mich in einem surrealistischen Horrorfilm. Während ich auf den Befehl wartete, der mich einer Einheit zuweisen würde, verbrachte ich meine ersten drei Tage in Vietnam damit, Tausende von verdorbenen Schokoriegeln in einem Vorratslager zu vernichten. AuÃerdem konfiszierte ich â das ist der militärische Ausdruck für stehlen â mit Unterstützung des diensthabenden Unteroffiziers eine Halskette aus
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