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Am Tor Zur Hoelle

Am Tor Zur Hoelle

Titel: Am Tor Zur Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anshin Thomas
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tropischer Regen oder wie ein Wirbelsturm, doch sie kommen und gehen. In Achtsamkeit sehe ich ihre Schönheit, wenn sie da sind; ich kann preisen, was sie mir bieten, in dem Wissen, dass sie vergehen, und in dem Wissen, dass sie wiederkehren können. Wenn ich in Achtsamkeit lebe, kann ich tief in meine Natur sehen und mein Leiden berühren; ich kann lernen, mit meiner Angst, meinen Zweifeln, meiner Unsicherheit, meiner Verstörtheit und meinem Zorn zu leben.
    Meine Aufgabe ist es, an diesen Orten zu verharren wie Wasser, das zur Ruhe kommt, wie Schwester Chan Khong mir während meines ersten Besuches in Plum Village gesagt hat. Wenn ich weiterhin in Achtsamkeit lebe, habe ich die Chance, wie stilles Wasser zu werden. Ich bin es noch nicht. Es gibt viele Zeiten, in denen ich von der Wut und der Gewalt der Gesellschaft berührt werde, und ich reagiere. Ich habe diese Saat noch immer in mir. Doch ich habe gelernt, nicht so streng zu mir zu sein, denn ich kann zu meinem Atem zurückkehren. Ich muss nicht auf einem Weg voranschreiten, den ich als selbstzerstörerisch erkannt und erfahren habe.
    Wenn wir nicht in Achtsamkeit leben, bedeutet das, dass wir in Unachtsamkeit leben – beherrscht von den Ursachen und Bedingungen unseres Lebens, und auf diese Weise bleiben wir in unserem Leiden gefangen und können sicher sein, dass wir weiteres Leiden für uns und andere erzeugen. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, nicht weiteres Leiden zu erzeugen, sondern zur Natur des Leidens in meinem und dem Leben anderer zu erwachen, auf dass es verwandelt werden kann.
    Es gibt Millionen Stimmen, die versuchen, mich von meinem Leiden abzulenken. Wenn ich eine Glocke der Achtsamkeit vernehme und zu meinem Atem zurückkehre, dann werden diese Stimmen schwächer. Die Glocke bringt sie zum Verstummen. Dann kann mein Leiden hervorkommen. Ich kann es berühren und darin schwimmen – ich bin nicht länger versucht, mich davor zu verstecken oder darin zu ertrinken.
    Heilung ist nicht die Abwesenheit von Schmerz
und Leiden
    Vor einigen Jahren verbrachte ich einen Monat in Vietnam. Ich befand mich auf einer Pilgerreise, die in Auschwitz begann, wo ich die Laienordination in der Soto-Zen-Tradition von Bernard Tetsugen Glassman Roshi empfangen hatte. Vor meiner Abreise sagten die Leute zu mir: »Warum willst du nach Vietnam zurückkehren? Welchen Sinn hat es, an alte Wunden zu rühren? Bedenke doch: Die Vergangenheit ist vorbei.« Es gab eine Zeit, da habe ich das glauben wollen. Ich wollte, dass der Schmerz wegging, dass er verschwand, ohne Spuren zu hinterlassen, als hätte er nie existiert. Ich glaubte, dass Heilung synonym sei mit der Abwesenheit von Schmerz und Leiden. Doch durch das Leben in Achtsamkeit lerne ich, dass Heilung nicht die Abwesenheit von Schmerz und Leiden ist – Heilung bedeutet, mit dem Schmerz und dem Leiden leben zu lernen.
    Wenn ich in Achtsamkeit lebe, bin ich eingeladen, die Natur des Leidens, meines Leidens zu berühren und zu umarmen, ohne es zu bewerten. Meine Empfindungen sind weder richtig noch falsch, weder gut noch schlecht; sie
sind
einfach. Keine Wertungen vorzunehmen brachte viel größere Freiheit in mein Leben. Ich bin von dem gesellschaftlich-kulturellen Umfeld, in dem ich lebe, konditioniert, mein Leiden zu bewerten und zu glauben, dass es falsch sei, mit bestimmten Empfindungen in Berührung zu kommen.
    Ein Beispiel: Wenn ich Zorn gegenüber Menschen empfand, die nicht als Soldaten gekämpft hatten, dachte ich: »Wie kann ich derartige Gefühle hegen? Die Leute sagen mir, ich solle die Vergangenheit vergessen und nach vorn schauen.« Doch ich konnte es nicht.
    Mein Urteil, Produkt meines anerzogenen Verhaltens, hielt mich in Unachtsamkeit gefangen, fernab von Bewusstheit. Mein Urteil hielt mich in meinem Leiden gefangen und gleichzeitig in der Illusion, dass ich nicht litt. Wenn ich in Achtsamkeit lebe, kann ich meiner Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen gewahr sein, ohne sie zu bewerten.
    Wenn ich in Achtsamkeit lebe, kann ich tief in meine Natur blicken, die Ursachen und Bedingungen meines Lebens ergründen, die mein Leiden nähren, und ich kann mir dessen Natur zutiefst bewusst werden. Ich kann meine Angst, meine Trauer, meine Wut, meine Verwirrung spüren. Ich kann sie spüren, ich kann sie berühren, ich kann sie betrachten, ich kann sie an die Hand nehmen.
    Wenn ich in Achtsamkeit lebe, habe ich echte Wahlmöglichkeiten.

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