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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Töchter. Ihr Gesicht, das noch vor wenigen Jahren hübsch und gesund ausgesehen hatte, war eingefallen und unter ihrem zerfledderten Kleid standen die Knochen hervor. Ihre Haare hatte sie notdürftig zu einem Knoten gebunden.
    »Die ganze Ernte?«, fragte Fanny. In ihren großen und ausdrucksvollen Augen, die selbst erwachsene Männer verzauberten, stand die nackte Angst. Sie trug ein schäbiges Kleid, das knapp über ihre Knie reichte, und schien ihre Haare in dem nahen Bach gewaschen zu haben. Sie waren noch nass und hingen bis auf ihre Schultern hinab. »Wird es so schlimm wie letztes Jahr?«
    Molly legte einen Arm um ihre Schultern und drückte ihre Schwester fest an sich. Fanny konnte sehr erwachsen sein, besonders in der Gegenwart von jungen Männern, wenn sie sich beinahe kokett benahm, ihre nackten Knöchel unter dem Kleid sehen ließ oder einen ihrer Verehrer mit einem unschuldig erscheinenden Lächeln um den Finger wickelte. Eine Fähigkeit, die ihr der Herr in die Wiege gelegt haben musste. In diesem Augenblick wirkte sie etliche Jahre jünger und so ängstlich und hilflos, dass Molly sie mit einer Floskel beruhigte: »Es gibt immer einen Weg, Fanny! Wir schaffen das!«
    Sie setzten sich an den einfachen Holztisch, den sie bei einem Händler im nahen Castlebar gegen einige Pfund Kartoffeln eingetauscht hatten, und füllten ihre hölzernen Näpfe mit Wurzelsud. Molly verzog das Gesicht. Sie würde sich nie an diesen Geschmack gewöhnen, aß die Suppe nur, weil sie Hunger hatte und es weit und breit nichts anderes gab. Sie hätte nie gedacht, dass sie sich einmal nach Kartoffeln sehnen würde. Allein der Gedanke an eine gekochte Kartoffel mit Butter ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Von draußen drang der Hufschlag mehrerer Pferde herein. Er verstummte vor ihrer halb geöffneten Tür. Eine männliche Stimme, die ihr nur zu vertraut war, befahl rüde: »Rose Campbell! Komm raus! Ich habe mit dir zu reden!«
    Molly beobachtete, wie ihre Mutter zusammenzuckte und die Hand mit dem Löffel sinken ließ, dann aufstand und zur Tür ging. Molly und Fanny folgten ihr zögernd. Die Stimme verhieß nichts Gutes, sie gehörte dem Mittelsmann, der jeden Monat kam, um die Pacht für den Landbesitzer zu kassieren.
    Er hieß James Whitmore, ein ehrgeiziger Mann in mittleren Jahren, der zum Board of Guardians in ihrer Grafschaft gehörte. Als Mitglied dieses Gremiums war er auch für das Wohlergehen der armen Leute verantwortlich, zeigte sich aber nur daran interessiert, das Vermögen und den Besitz von Sir Robert Bourke zu vermehren, der ihn für seine Mühe angemessen entlohnte und versprochen hatte, ihm seine Tochter zur Frau zu geben. Sir Robert Bourke lebte in England und dachte nicht daran, seinen Fuß auf irischen Boden zu setzen. In seinen Augen waren alle Iren minderwertige Taugenichtse.
    »Rose Campbell«, rief Whitmore von seinem Rappen herab. Mit ihm waren vier einfach gekleidete Männer gekommen, die unruhig auf ihren Pferden verharrten. »Im Namen von Sir Robert Bourke befehle ich dir, dieses Anwesen unverzüglich zu verlassen!« Er blickte auf die beiden Schweine, die laut quiekend aus dem Haus drängten. »Da die eher karge Getreideernte und das Fleisch der Schweine kaum die Pacht für einen Monat decken, erklärt er sich in seiner Großzügigkeit bereit, dir die restlichen Schulden zu erlassen.«
    Rose Campbell musste sich am Türbalken festhalten. Sie war noch blasser geworden als bisher und Molly trat rasch an ihre Seite und stützte sie, bevor ihre Beine nachgeben konnten. »Aber ... aber wir können hier nicht weg! Wo sollen wir denn hin? Geben Sie ... geben Sie uns eine Chance, Sir! Sobald die Plage vorbei ist, können wir Getreide anbauen und die Ernte fällt sicher besser aus. Sie dürfen uns nicht wegschicken, Sir!«
    Molly ahnte, wie schwer es ihrer Mutter fiel, sich vor dem eingebildeten Mittelsmann zu erniedrigen. Bis zur ersten Kartoffelfäule war sie eine starke und selbstbewusste Frau gewesen, die auch nicht davor zurückgeschreckt war, ihrem Ehemann die Meinung zu sagen. Erst seit sie keine Kartoffeln mehr hatten und sie kaum noch etwas aß, wirkte sie schwach und fing sich schon beim leisesten Windhauch eine Erkältung ein. Wäre sie allein gewesen, hätte sie Whitmore wahrscheinlich wortlos gehorcht. Nur ihr mütterlicher Instinkt ließ sie um Gnade bitten ... ihren beiden Töchtern zuliebe.
    »Kommt gar nicht infrage!«, beschied ihr der Mittelsmann. In seinem langen Mantel mit

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