Am Ufer Des Styx
und Tritten zu malträtieren, und er hatte gehört, wie eine Rippe nach der anderen den wütenden Schlägen nachgegeben hatte – verraten hatte er jedoch nichts.
Dann hatten sie ihm das Hemd vom Leib gerissen und damit begonnen, seine Haut mit einem Messer zu zerschneiden und Salz in die offenen Wunden zu streuen. Und obwohl der Schmerz mörderisch gewesen war und ihn fast um den Verstand brachte, hatte er sein Schweigen noch immer nicht gebrochen. Daraufhin hatten die Folterer die Methode gewechselt und ihm gezeigt, was wirkliche Qualen waren …
»Ich frage dich zum letzten Mal«, hörte er die Stimme des Obristen wie ein böses Omen über sich schweben – die Augen hielt er fest geschlossen, um seinen Peinigern nicht in die hämisch lachenden Gesichter sehen zu müssen. »Wo ist Sarah Kincaid?«
»Ich … weiß … es … nicht«, wiederholte er zum ungezählten Mal und hatte das Gefühl, vor Schmerz zu bersten, als sich die glühende Klinge ein weiteres Mal zischend in seine Gesichtshaut fraß. Der Makedone brüllte laut und konnte nicht anders, als in maßlosem Entsetzen die Augen aufzureißen.
»Lass es dich nicht dein Sehvermögen kosten«, sprach der Obrist auf ihn ein. »Oder willst du erleben müssen, wie sich die glühende Klinge in dein Auge bohrt? Wie sie ganz langsam …«
»Nein«, hauchte Perikles fast unhörbar.
»Wie war das?«
»Nein«, sagte er noch einmal, lauter diesmal – gefolgt von einem neuerlichen Schrei, als die glühende Klinge sein rechtes Ohr malträtierte. »Neeein!«
»Dann beantworte jetzt endlich meine Frage«, verlangte der Obrist unbarmherzig – und Perikles brach sein Schweigen.
Aus seinen vielen Rachen schleuderte der Kerberos ihr ohrenbetäubendes Gebrüll entgegen.
Sarah war vor Entsetzen wie erstarrt, schwärzeste Furcht saß ihr im Herzen. Reglos und mit geweiteten Augen stand sie da und starrte auf die riesige Kreatur, deren Schwefelatem ihr fast die Sinne raubte. Dampf quoll aus den Nüstern des Kerberos, Schaum stand ihm vor den Mäulern, deren gelbe Zähne gefletscht waren.
»Nein«, war alles, was sie hervorbrachte. »Bitte nicht …«
Ihr Flehen war nicht so sehr an das Untier selbst gerichtet als vielmehr an die Wirklichkeit, an Wahrheiten, an die sich Sarah bislang geklammert hatte und denen zufolge es eine Kreatur wie diese nicht geben durfte. Dennoch stand der Kerberos vor ihr, genauso, wie Friedrich Hingis ihn beschrieben hatte – und so wirklich wie sie selbst!
Die Furcht erregenden Häupter pendelten vor ihr hin und her, während die gelben Augen weiter unverwandt auf sie starrten. Etwas in ihr drängte Sarah, sich abzuwenden und die Flucht zu ergreifen, aber selbst dazu war sie nicht in der Lage – zu schrecklich und gleichzeitig zu faszinierend war das, was sie sah. Der Kerberos, ein Monstrum aus alten Mythen, existierte tatsächlich, wenngleich nur hier, in dieser uralten Höhle …
Der Gedanke ließ Sarah innerlich aufhorchen, denn er warf Fragen auf: Wie hatte diese riesige Kreatur es geschafft, die Zeit zu überdauern? Wovon hatte sie sich in all den Jahrtausenden ernährt? Um Beute zu finden, hätte sie ihr unterirdisches Versteck verlassen müssen. Wieso aber hatte die Oberwelt dann nichts von ihr erfahren?
Zweifel keimten in Sarah auf, die sich in den Augen der Kreatur augenblicklich niederzuschlagen schienen, denn nicht länger glommen sie in blindem Hass und wilder Blutlust. Die böse Glut in ihnen schien zu verlöschen, und als wäre ihr Verstand eine Waffe, die das Untier fürchtete, wich es zurück!
Sarah hob die Fackel, die sie reglos in der Hand gehalten hatte, und schwenkte sie, worauf das Monstrum jedoch nicht reagierte. Mit jedem neuerlichen Zweifel, mit jeder weiteren Überlegung, die Sarah anstellte und die sie einen Schritt weiter der Erkenntnis entgegentrug, dass eine Kreatur wie diese allen Gesetzen der Natur und des Himmels widersprach und folglich nicht existieren konnte, schien der Kerberos jedoch an Größe und Kraft zu verlieren.
»Du hast Angst vor mir«, stellte sie mit einer Mischung aus Erleichterung und Verblüffung fest, während sie beobachtete, wie das Monstrum vor ihren Augen durchscheinend wurde und zu verblassen begann – und endlich verstand Sarah.
Der Kerberos, so Furcht erregend er auch erscheinen mochte, war lediglich eine Erscheinung, eine Wahnvorstellung, hervorgerufen durch ihre eigenen Ängste. Nur aus diesem Grund sah die Kreatur genauso aus, wie Hingis sie beschrieben hatte: Weil es
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