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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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sich ein Beispiel an mir und sehen es als sportliche Herausforderung. Mal kriegen wir den Fuchs, mal entkommt er – so ist die Jagd. Tally-ho.«
    Sarah blickte auf. Aus ihren dunkel umrandeten Augen, die erahnen ließen, wie krank sie sich fühlte, sandte sie ihm einen hasserfüllten Blick. »Sie sind ein Idiot, Cranston«, bescheinigte sie ihm ebenso leise wie endgültig. »Ihre sportliche Herausforderung‹ hat gute Menschen das Leben gekostet. Und was Kamal betrifft …«
    »Warten Sie es ab«, empfahl er ihr. »Ich sagte Ihnen doch, dass Sie noch sehr beeindruckt sein würden.«
    »Inwiefern?«
    »Wie ich schon sagte – warten Sie es ab.«
    Da er nicht gewillt schien, mehr zu sagen, und sie weder in der Verfassung war noch die Geduld dazu hatte, ihn weiter zu drängen, schwieg sie und beschloss, einfach abzuwarten. Minuten vergingen, bis das Seil erneut abgelassen und wieder eingeholt worden war. Diesmal kauerte Polyphemos darin, in Gesellschaft zweier Wachen.
    Um zu verhindern, dass er Widerstand leistete, hatte man ihm die Hand- und Fußgelenke mit Ketten gefesselt. Der Zustand des Zyklopen allerdings belegte, dass es der Ketten nicht bedurft hätte; seine hünenhafte Gestalt war zusammengesunken, der Blick des einen Auges gebrochen. Der zweitägige Marsch über die Berge hatte seine Kräfte am Ende doch ausgezehrt und ließ seine ohnehin deformierten und vom Feuer entstellten Züge noch grotesker wirken. Aus eigener Kraft schien er kaum noch in der Lage, sich zu bewegen.
    Als seine Häscher ihn mit vorgehaltenen Waffen dazu aufforderten, verließ er das Netz, auf allen vieren kriechend. Sarah wollte ihm zur Hilfe eilen, aber ihre Bewacher hielten sie zurück. Der Blick, den sie Cranston daraufhin sandte, war derart wütend, dass der Arzt seine Leute anwies, sie gewähren zu lassen. Sarah stürzte zu dem Zyklopen, der sie so oft beschützt und ihr das Leben gerettet hatte, und half ihm, so gut ihre eigenen Fesseln es zuließen. Indem er sich auf sie stützte, kam er schwerfällig auf die Beine. Sein Atem ging keuchend, und seine Lungen rasselten, zum Sprechen war er nicht in der Lage.
    »Ein bemerkenswerter Anblick«, kommentierte Cranston voller Häme. »Die Schöne und das Biest. Fast wie im Märchen – nur dass es für Sie beide kein glückliches Ende geben wird, fürchte ich …«
    Er wandte sich um und bedeutete den Gefangenen, ihm zu folgen. Eskortiert von den Wachen, verließen Sarah und Polyphemos den Aufstiegsturm durch einen schmalen Gang. Über eine Reihe von Stufen gelangten sie in einen langen Korridor, auf den zu beiden Seiten niedrige Türen mündeten. Einst mochten dies die Zellen der Mönche gewesen sein, inzwischen dienten die Kammern den Schergen der Bruderschaft als Quartier.
    Durch den Korridor gelangten sie zu einer weiteren Tür, die in ein Treppenhaus führte. Sie folgten der Treppe in den ersten Stock, wo das Refektorium des ehemaligen Klosters untergebracht war, also jener Ort, wo sich die Mönche zu den Mahlzeiten und zu Versammlungen eingefunden hatten und der zusammen mit der Kirche den Mittelpunkt der Klosteranlage bildete.
    Das Refektorium war ein weiter, jedoch vergleichsweise niedriger Raum, dessen Decke von dunklen Holzbalken getragen wurde. Nach drei Seiten hatte er Fenster, von denen zwei auf die beiden Innenhöfe der Anlage, das dritte jedoch in den gähnenden Abgrund blickten, der sich jenseits der Klostermauern erstreckte. Wie Sarah feststellte, hatte es zu regnen begonnen. Das Land versank hinter grauen Schleiern, heftiger Wind rüttelte am Fensterglas.
    Eingerichtet war das Refektorium mit einer langen, von Stühlen gesäumten Tafel, die noch aus alter Zeit zu stammen schien. Am einen Ende stand ein erhöhter, mit kunstvollen Schnitzereien versehener Stuhl, auf dem einst der Abt Platz genommen hatte.
    Als die Gefangenen das Refektorium betraten, saß zu ihrer Bestürzung eine ganz andere Person auf dem Stuhl, die sie bereits erwartet zu haben schien …
    »Willkommen im Meteoron«, grüßte Ludmilla von Czerny mit falschem Lächeln. »So sehen wir uns also wieder, nicht wahr?«
    »Offenbar«, war alles, was Sarah darauf erwiderte.
    »Was sagst du zu unserem Versteck?«, erkundigte sich die Gräfin.
    »Ich würde sagen, es passt zu Ihnen.«
    »Wie es heißt, wurden die Meteora-Klöster in alter Zeit mit Hilfe von Drachen errichtet, die in den Diensten der Mönche gestanden und sie an den Felswänden emporgetragen haben sollen«, erklärte die Gräfin ungerührt

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