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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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weiter.
    »Nun«, sagte Sarah bissig, »wie es aussieht, hat zumindest einer dieser Drachen die Zeit überdauert, nicht wahr?«
    Obwohl die Bemerkung auf ihre Kosten gegangen war, ließ Ludmilla von Czerny lautes Gelächter vernehmen, das allerdings ein wenig bemüht klang. »Du magst giften, wie du willst, Schwester«, konterte sie, »es ändert nichts daran, dass ich gewonnen habe.«
    »Wo ist Kamal?«, wollte Sarah wissen.
    »Rate«, feixte sie.
    »Mir ist nicht nach Spielchen zumute«, grollte Sarah. »Wir hatten eine Abmachung …«
    »… die du gelöst hast, indem du die Quelle des Lebens zerstörtest!«, rief die Gräfin und sprang wütend auf.
    »Sie war es nicht«, verschaffte sich Polyphemos Gehör und bemühte sich, seine gebückte Gestalt zu straffen. »Ich bin es gewesen. Mich allein trifft die Schuld.«
    »Mit dir werde ich mich zu gegebener Zeit befassen, Verräter«, beschied sie ihm knapp. »Nicht genug damit, dass du die Bruderschaft hintergangen und dich gegen sie gewandt hast, du hast auch einen deiner Brüder getötet.«
    »Und?«, fragte Polyphemos dagegen, mehr Trauer als Trotz in der Stimme. »Für ihn ist es eine Erlösung gewesen. Lieber tot als ein ewiger Sklave.«
    »An diese Worte solltest du denken, wenn wir dich von den Klippen stürzen«, konterte die Gräfin gehässig. »Du hast den Tod dutzendfach verdient. Der einzige Grund, weshalb du noch am Leben bist, ist der …«
    Sie unterbrach sich, als würde ihr in diesem Augenblick bewusst, dass sie ein Geheimnis zu wahren hatte. Ihr Ärger verpuffte und ging in ein breites Lächeln über, das ebenso aufgesetzt wie böswillig wirkte. »Ihr habt alles darangesetzt, unsere Pläne zu vereiteln, aber es ist euch nicht gelungen. Und nun sind wir es, in deren Besitz sich das Wasser des Lebens befindet.«
    »Das Wasser des Lebens war für Kamal bestimmt«, protestierte Sarah. »Es ist seine einzige Hoffnung auf Heilung.«
    »Es war seine einzige Hoffnung auf Heilung«, verbesserte die Gräfin heiter.
    Sarah stand wie vom Donner gerührt.
    »Soll das heißen, dass er …?«, hörte sie sich selbst sagen.
    »Er lebt«, antwortete Ludmilla von Czerny ohne erkennbare Regung. »Er befindet sich auf dem Weg der Besserung.«
    »Aber wie …?«
    »Du hast unsere Absichten von Beginn an missverstanden«, stellte die Gräfin fest. »Kamal zu töten war nie Teil unseres Plans.«
    »Er lebt«, flüsterte Sarah, die ihr Glück in diesem Moment kaum fassen konnte. »Es geht ihm gut …«
    »In der Tat.«
    »Wo ist er?«
    »Nicht weit entfernt.«
    »Etwa hier? Im Kloster?«
    »Gut möglich.«
    »Ich will ihn sehen«, verlangte Sarah, »sofort!«
    »Später«, wehrte die Gräfin ab. »Es mag dir schwerfallen, es einzusehen, aber nicht du gibst hier die Regeln vor, sondern ich. Und ich sage, dass du deinen Traumprinzen erst dann wieder zu Gesicht bekommen wirst, wenn ich es dir erlaube.«
    »Aber ich …«
    »Später!«, keifte die Gräfin, dass ihre Stimme sich überschlug und ihre smaragdgrünen Augen funkelten, als wollten tödliche Blitze daraus schlagen.
    »Schlange!«, zischte Sarah.
    »Du nennst mich eine Schlange?« Ludmilla von Czerny hob eine schmale Braue. »Ausgerechnet du, die du Lüge und Verrat für dich gepachtet hast? Aber diesmal verfangen deine Intrigen nicht, Schwester, denn mehr, als in der Flasche enthalten war, wird vom Elixier des Lebens nicht zur Verwirklichung unserer Pläne benötigt.«
    »Was für Pläne?«, wollte Sarah wissen. »Was haben Sie mit dem Elixier vor? Wollen Sie einen Trank des Todes daraus machen wie einst Arsinoë?«
    »Arsinoë«, echote die Gräfin. »Es ist amüsant, wie wenig du weißt – und erschreckend zugleich. Gardiner Kincaid ist dir ein schlechter Lehrer gewesen.«
    »Er war der beste Lehrer, der sich denken lässt«, widersprach Sarah entschieden.
    »Warum nur, frage ich mich, hat er dir dann nichts von den Dingen erzählt, auf die es ankommt?«, erkundigte sich die Gräfin spitz – und auf diese Frage wusste selbst Sarah keine Antwort.
    »Offenbar hast du noch immer nicht begriffen, dass es immer nur dieses eine Elixier gegeben hat – und nicht etwa eines, das Leben spendet, und ein anderes, das Verderben bringt.«
    »Wie ist das möglich?«, fragte Sarah. »Es gibt Menschen, die nach seiner Einnahme gestorben sind …«
    »Das stimmt. Die erste Einnahme sorgt dafür, dass man in totenähnliche Starre verfällt, aber man geht daran nicht zugrunde. Ein rätselhaftes Fieber hält Körper und Geist

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