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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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wollenen Nachthemd, das ihm bis zu den Knöcheln reichte, stürzte er zum Fenster, riss die Vorhänge auf und blickte hinaus – nur um zu sehen, dass das Nebengebäude, das die Stallungen und die Unterkünfte der Landarbeiter beherbergte, in Flammen stand!
    Gelbe Feuerzungen schlugen aus dem Dachgebälk, der Heuboden brannte lichterloh. Mit einem Ausruf des Entsetzens fuhr Trevor vom Fenster zurück, riss die Tür seiner Kammer auf und schoss hinaus auf den Gang, so schnell seine alten, von der Kälte schmerzenden Knochen es zuließen. »Feuer! Feuer!«, wollte er rufen, aber seine vor Panik heisere Stimme versagte ihm den Dienst. Hals über Kopf hastete er den Korridor hinab, an der Küche vorbei zum Speisesaal, wo der kleine Gong aus Messing hing, mit dem man zum Dinner zu rufen pflegte. Mit zitternden Händen griff er nach dem Schlegel und hämmerte damit auf die Metallscheibe ein, die einen durchdringenden Ton von sich gab. Und endlich erlangte der alte Verwalter auch seine Stimme zurück.
    »Feuer!«, brüllte er so laut, dass sich sein heiseres Organ überschlug. »Feuer …!«
    Aus dem Ostflügel des Hauptgebäudes, wo sich die Kammern des Hausgesindes befanden, drangen entsetzte Rufe. Türen wurden aufgerissen, und Schritte erklangen, und Trevor eilte hinaus, um die Löscharbeiten zu organisieren. Eine Eimerkette musste geformt, Wasser vom nahen Brunnen herangetragen werden. Zwar kam für das Stallgebäude jede Hilfe zu spät, jedoch musste alles getan werden, um ein Übergreifen der Flammen auf das Haupthaus zu verhindern …
    Er erreichte die großzügige, von eisernen Rüstungen gesäumte Eingangshalle. Durch die hohen Fenster, die zu beiden Seiten der Pforte in die steinerne Wand eingelassen waren, erhaschte er einen Blick auf die brennenden Stallungen. Die Silhouetten einiger Männer waren davor zu sehen, in denen Trevor den Kutscher und die Stallknechte zu erkennen glaubte. Herrenlose Pferde jagten umher – offenbar war es gelungen, zumindest sie aus den Flammen zu retten.
    Der Verwalter wollte selbst nach draußen stürmen, um zu helfen – als er zwei Reiter gewahrte, die geradewegs aus der lodernden Feuersbrunst zu kommen schienen. Gegen den Flammenschein konnte er zwar nur ihre Silhouetten sehen, aber er erblickte die blanken Säbel, die in ihren Händen blitzten und im nächsten Moment mit tödlicher Wucht auf den Kutscher und seine Helfer niedergingen. Einer der Stallburschen wurde erschlagen, ein weiterer kurzerhand durchbohrt. Der Kutscher stand bis zuletzt auf den Beinen – auch dann noch, als der Stahl eines der Angreifer den Kopf bereits von seinen Schultern getrennt hatte. In schauriger Langsamkeit kippte der Torso nach vorn und blieb reglos liegen – und Trevor Gordon fragte sich, welcher dunkle Höllenschlund die Feuerreiter ausgespuckt haben mochte.
    Die Augen weit aufgerissen und am ganzen Körper zitternd, fuhr er zurück, wollte nicht glauben, was er gesehen hatte. Plötzlich ein Klirren und entsetztes Geschrei aus Richtung Küche!
    Eine hohe Stimme, die der Verwalter als die von Kelly erkannte, der irischen Magd, flehte kreischend um Gnade – um im nächsten Moment jäh zu verstummen. Blut war plötzlich auf dem Korridor, das über die Schwelle der Küchentür troff und sich rasch zu einem See vergrößerte.
    »Allmächtiger«, entfuhr es dem alten Trevor, und während er noch darum betete, dass der Herr ihm ein ruhiges Herz und eine noch ruhigere Hand verleihen möge, war er bereits auf dem Weg zur Bibliothek, die sich auf der Rückseite des Haupthauses befand und über deren Kamin das schwere Martini-Henry-Gewehr hing, das Lord Kincaid auf mancher Reise begleitet hatte …
    Im festen Entschluss, sowohl den ihm anvertrauten Besitz als auch das Leben seiner Untergebenen zu verteidigen, hastete er den Gang hinab. Schon von Weitem erkannte er, dass die Tür zur Bibliothek weit offen stand, obwohl er persönlich dafür Sorge zu tragen pflegte, dass sie in Lady Kincaids Abwesenheit stets verschlossen war. Das Schloss war gewaltsam geöffnet worden, die Tür aus den Angeln gebrochen. Mit brutaler Gewalt hatte sich jemand Zugang verschafft, und der alte Trevor brannte darauf, diesen Jemand zu stellen und zur Rechenschaft zu ziehen.
    Doch es kam anders.
    Atemlos platzte der Verwalter durch die offene Tür. Der beißende Geruch von Petroleum schlug ihm entgegen, und von einem Augenblick zum anderen sah er sich mit einer erdrückenden Übermacht konfrontiert. Fünf Männer waren es, von

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