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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Frieden entschlafen lassen, als ihn all diesen Fährnissen auszusetzen. Aber als Sohn der Wüste kennt er den Kampf um das Überleben, und ich weiß, dass er alles tun würde, um zu mir zurückzukehren …
    Cranstons Hausdiener, der uns auf Wunsch seines Herren ein Stück des Wegs begleitete, hat uns in Dover verlassen. Wie schon auf früheren Reisen verzichte ich bewusst auf die Mitnahme einer Dienerschaft, auch wenn es weder meinem Geschlecht noch meinem Adelsstand angemessen sein mag. Man hat mich jedoch gelehrt, dass die oberste Pflicht des Dienstherren seinem Gesinde gegenüber die Fürsorge ist, und ich bringe es nicht über mich, das Leben auch nur eines meiner Bediensteten leichtfertig zu gefährden.
    Von Calais aus fahren wir mit der Eisenbahn in Richtung der belgischen Grenze, deren dichte Tannenwälder bereits von Schnee bedeckt sind. Wir hoffen, Brüssel vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen und so noch heute den Zug zu besteigen, der uns nach Deutschland bringen wird …
    4. O KTOBER
    Unsere Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Nachdem wir in den Ardennen in einen Schneesturm gerieten und erst spät in der Nacht nach Brüssel gelangten, blieb uns nichts, als dort die Nacht zu verbringen – welche Auswirkungen dieses zusätzliche Maß an Unbill und Strapaze für den armen Kamal haben mag wage ich mir nicht auszumalen, und ich bin froh darüber, Dr. Cranston bei mir zu haben, der sich nach Kräften um das Wohlergehen seines Patienten kümmert.
    Obwohl sich der Doktor bemüht, auch mir ein aufmerksamer und um mein Wohl bemühter Begleiter zu sein, ertappe ich mich dabei, dass ich schmerzlich die Gesellschaft Maurice du Gards vermisse, der mir auf den letzten beiden Reisen zur Seite stand – und die französischen Zungen, die ich rings um mich parlieren höre, verstärken meine Wehmut noch. Immer wieder schwöre ich mir, alles dafür zu tun, dass mir nicht noch ein weiterer geliebter Mensch genommen wird …
    6. O KTOBER
    Wir haben die Grenze zum Deutschen Reich überquert. Einmal mehr bin ich meinem Vater dankbar dafür, dass er mir umfassenden Sprachunterricht zukommen ließ. Der deutschen Sprache mächtig zu sein, scheint eine unablässige Voraussetzung, dieses Land auf Schienen zu durchqueren. Eine unglaubliche Anzahl kleiner bis kleinster Bahnlinien bildet ein wirres Geflecht, das mir unmittelbarer Ausdruck der bewegten Geschichte dieses Landes zu sein scheint, das nach Jahrhunderten der Teilung und der inneren Zerrissenheit erst vor einigen Jahren zur Einheit fand – und auch diese wurde mit einem blutigen und verlustreichen Krieg ertrotzt.
    Von Cöln aus fahren wir nach Coblenz. Ein Schlafwagen der ISG, der auf dieser Strecke verkehrt, bietet angenehmen, bisher ungekannten Komfort, und ich bedaure einmal mehr, nicht auf der Strecke Paris-Wien gereist zu sein, die ungleich größere Annehmlichkeit bietet, auf der kurzfristig jedoch keine Reisemöglichkeit zu bekommen war.
    Von Coblenz führt die Fahrt nach Frankfurt, wo wir hoffen, baldmöglichst Anschluss nach Osten zu bekommen …
    8. O KTOBER
    Eisenach. Gotha. Erfurt. Jena.
    Wie Perlen reihen sich die Kulturstädte im Herzen des Deutschen Reiches aneinander. Erinnerungen an die Fahrten werden wach, die ich einst zusammen mit meinem Vater unternahm. Um diese aufzufrischen, fehlt mir jedoch die Muße, denn das Ziel unserer Fahrt rückt näher, und ich gestehe, dass ich zunehmende Unruhe verspüre.
    Kamals Zustand scheint nach wie vor unverändert – oder will Dr. Cranston mich nur nicht beunruhigen? Bisweilen glaube ich, in seiner Miene Zweifel zu erkennen, aber ich habe nicht den Mut, ihn danach zu fragen. Solange es Hoffnung gibt, möchte ich daran festhalten, gleich wie gering sie auch sein mag …
    9. O KTOBER
    In Leipzig haben wir den Expresszug bestiegen, der uns über Dresden nach Prag bringen soll. Die Landschaft, die an den Fensterscheiben unseres Abteils vorbeizieht, hat sich verändert, und es kommt mir vor, als ob sie geheimnisvoll, geradezu unheimlich geworden wäre. Ein Schatten scheint sich zu dieser späten Jahreszeit über die ausgedehnten Wälder gebreitet zu haben, der sich in grauen Wolken und zähem Nebel manifestiert. Nur hin und wieder sind Spuren von Zivilisation zu erkennen – einsame Gehöfte, die sich an die dunklen Hügel schmiegen, und hier und dort recken sich einsam die Ruinen einstmals stolzer Burgen in den wolkenverhangenen Himmel.
    Immer wieder setzt Regen ein, und es kommt mir vor, als spiegelte die Tristesse

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