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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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sie. Mohren und Christen kommen nur in Kontakt, um auszumachen, wer wen in den Arsch fickt. Sonntagnachmittags, wenn die Straßen von Olba leer sind, weil die Leute beim Familienessen oder am Strand sind, laufen die Marokkaner allein auf und ab, setzen sich auf die Poller des Bürgersteigs oder auf die Leitplanke der Landstraße nach Misent. Ahmed streitet sich mit seinen Landsleuten, die im Ramadan von den Vorarbeitern fordern, dass die Mittagspause ausgelassen und dafür früher Schluss gemacht wird. Ihr Scheißmarokkis seid verrückt, hatte sich einer der Zuständigen beschwert, als Ahmed eine Partie Türen bei der Baustelle von Pedrós abladen wollte. Ich geh selbst nicht zur Messe, will von den Pfaffen nichts wissen, und jetzt verlangt ihr von mir, dass ich im Ramadan faste. Was sag ich dem Kranführer, dem Baggerfahrer oder Betonmischer? Sie sollen nichts essen, schließlich kriegen sie ja abends was zu Hause? Sie sollen keinen Tropfen, nicht einmal Wasser, trinken, während sie in praller Sonne bei weit über dreißig Grad und siebzig Prozent Luftfeuchtigkeit schuften? Ahmed diskutiert mit seinen Kumpels. Als ob die Nasranis uns nicht schon genug aufdem Kieker hätten und ihr euch wünschen würdet, dass sie uns endlich zum Teufel schicken, sagt er zu Abdelhak, der die anderen Freunde in der Wohnung überredet hatte, nicht mehr mit den Spaniern Bier zu trinken; meidet die Unreinen, sagte der. Wenn er sich aufregte, versicherte er, der Tag werde kommen, an dem sie sähen, welche Farbe das Blut aus dem Hals der Nazarenerschweine habe. Sie brauchen uns, argumentierte Abdelhak, und solange sie uns brauchen, müssen sie uns ertragen, und wenn sie uns nicht mehr brauchen, schütteln sie uns ab, auch wenn wir noch so sehr ihr Vaterunser beten und den Daumen beim Kreuzschlagen von der Stirn zur Brust springen lassen.
    Abdelhak hatte die Bomben von Atocha gefeiert. Sagte, Allahs Antlitz sei nun deutlicher am Himmel zu erkennen. Er machte seine Waschungen, betete Richtung Mekka und bereitete sich ein Lamm-Mechoui, das er in eine weiße Gandora gekleidet verspeiste. Alles sehr zeremoniös: Er feierte die Märtyrer und die Rache. Schaut es euch an, sagte er mit Blick auf den Fernsehschirm, während er an der Haschischzigarette saugte, da fließt es, das ungläubige Blut.
Bismillah
. Im Fernseher war verbogener Stahl zu sehen, Gestalten, die herumtapsten, die blutigen Hände vor dem Gesicht. Wenn Ahmed mit Raschid allein war, schimpfte er auf Abdelhak: Siehst du? Die Nasrana brauchen uns nicht mehr, also werden sie zuallererst auf die verzichten, die ihnen das Leben schwer machen. Da behalten sie lieber die Kolumbianer und Ecuadorianer. Abdelhak lässt doch blasphemische Sprüche ab. Wie kann jemand behaupten, Allahs Antlitz zu erblicken? Das ist die größte Blasphemie, die ein Moslem von sich geben kann. Aber Abdelhaks Augen leuchten auf, als sähe er es tatsächlich. Ein wildes, zufriedenes Gesicht. Er redet genau wie einer dieser fanatischen Prediger, Propheten der Rache: Heute trampeln die Nazarener auf uns herum, wir putzen ihre vollgeschissenen Klosetts, servieren ihnen in den Bars ihre ekelhaften Weine, bauen ihnen ihre Häuser, in denen sie Unreines essen und ohne Waschungen vögeln, sich den Samen nicht von der Vorhautspülen, und unsere Frauen machen ihre Betten, ziehen die unreinen Laken glatt, doch der Tag ist nah, da wir sie mit einer Kette um den Hals auf allen vieren spazieren führen. Sie werden vor unseren Haustüren bellen, als das, was sie sind: Hunde. Und sie werden es sein, die mit ihrer Zunge unsere Pantoffeln polieren. Sie haben unsere muslimischen Brüder in Schiffen nach Amerika gebracht, mit Stricken gefesselt, angekettet, in Käfigen, wie sie die Pferde transportierten und die Ziegen, Hühner und Schweine. Die schwarzen Muselmänner waren für die weißen Yankees nichts als Arbeitstiere. Es kommt die Stunde, da wir beweisen werden, dass wir Männer sind, die für das Ihre zu kämpfen wissen. Ahmed hält dagegen: Gibt es etwa keine reichen Muslims? All diese Scheichs am Golf. Und sind die reichen Muslime nicht noch schlimmer als die reichen Christen? Im Übrigen waren die Sklavenjäger in Afrika meistens Araber. Muslime, die Muslime zu Sklaven machten. Abdelhak schüttelt den Kopf, empört sich: Alles Lügen der Ungläubigen. Ahmed hat Fernsehberichte darüber gesehen, er weiß, dass es wahr ist. Von einem Ende Afrikas zum anderen waren die arabischen Menschenfleischhändler gefürchtet, ebenso

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