.Am Vorabend der Ewigkeit
scharfgeschnitten. In ihren Augen funkelten Kampfeslust und Mut.
Als sie sahen, daß die Gruppe erwachte, nahmen sie die Kinder und rannten auf den Ast hinaus, um einen genügenden Anlauf für den Start zu erhalten.
Die Flugmenschen waren schreckliche Feinde, wenn sie auch nur selten auftauchten. Sie töteten nicht, aber sie stahlen menschliche Kinder. Es war schwer, ihrer habhaft zu werden, obwohl sie gar nicht richtig fliegen konnten. Sie stürzten sich einfach in die Tiefe, spreizten ihre Schwingen und glitten dann über weite Strecken hinweg. Kein Mensch konnte sie einholen.
Jury rannte hinter ihnen her, gefolgt von Ivin. Sie packte einen Fuß des Flugmenschen, ehe dieser springen konnte. Die andere Hand verkrallte sich im Flügel. Der Flugmensch stolperte und ließ Veggy los. Sein Gefährte, der nun das Gewicht des Knaben allein trug, zog ein Messer, um sich verteidigen zu können.
Ivin stürzte sich auf ihn. Sie hatte Veggy großgezogen und wollte ihn retten. Das Messer ihres unbarmherzigen Gegners traf sie mit voller Wucht. Ohne einen Laut von sich zu geben, stürzte sie in die grüne Tiefe und verschwand im raschelnden Dickicht.
Immerhin ließ der Flugmensch seine Bürde fahren. Veggy kroch zum Bettpilz zurück. Das Monstrum sprang in die Tiefe, hinter den beiden bereits geflohenen her. Nur der vierte Flugmensch konnte nicht mehr fliehen. Jury hielt ihn fest, bis die anderen herbeikamen. Haris hob sein Messer, um den Gegner zu erledigen.
»Tötet mich nicht!« flehte der fliegende Mann. »Laßt mich leben, ich komme nie mehr wieder ...«
Seine Stimme klang hart und war kaum verständlich. Das Fremdartige seines Aussehens machte Haris wild. Er fletschte die Zähne und stieß erbarmungslos zu. Tief trieb er das Messer in die Brust des verhaßten Feindes.
Jury lehnte heftig atmend am Stamm.
»Ich werde alt«, sagte sie. »Früher war es keine Kunst, einen fliegenden Menschen zu töten.«
Voller Bewunderung betrachtete sie den Mann Haris.
Mit einer Fußbewegung versetzte sie dann dem Leichnam einen Stoß.
4
Die Gruppe lagerte im Schutz zweier Pfeifdisteln.
Sie hatten die Wipfel erreicht und eine große Feuerlinse überlistet. Wieder hatte der Schatten eines Blattes sie hilflos den menschlichen Räubern ausgeliefert. Daphe schnitt sechs der durchsichtigen Schoten ab und brachte sie ins Versteck, eine nach der anderen. Hy half ihr dabei. Die Schoten, riesige Kokons, würden ihre Särge werden.
Jeder der Erwachsenen nahm seinen Kokon, dann schlichen sie vorsichtig über die Plattformen, bis sie einige Traversertaue erreichten. Die Traverser waren viel zu groß, um jemals in die Tiefe des Waldes eindringen zu können. Ihre Region war die Wipfelzone – und das, was darüber lag. Der Himmel.
Lily-Yo setzte ihren Kokon ab und bedeutete den anderen, es ebenso zu machen. Dann erklärte sie Toy, Gren und den anderen sieben Kindern:
»Ihr helft uns, damit wir in die Kokons klettern können. Wir müssen unsere Seele mitnehmen. Tragt uns dann zu dem Tau und klebt uns fest. Wir kehren zum Himmel zurück, ihr aber bleibt zurück im Wald. Ihr seid die Lebendigen. Das Leben liegt noch vor euch.«
Toy zögerte. Sie war schlank und schön. Sie sagte:
»Nein, Lily-Yo, geh nicht von uns! Wir brauchen dich noch!«
»Es muß so sein«, erklärte Lily-Yo kategorisch, klemmte ihre Schote auseinander und schlüpfte in das Innere. Die Kinder halfen ihr und den anderen Erwachsenen. Aus reiner Gewohnheit überzeugte sich Lily-Yo davon, daß auch Haris, der Mann, sicher eingeschlossen wurde. In den gläsernen Särgen war es kühl und still. Die Luft war gut.
Die Kinder trugen sie zum Netz der Traverser. Ängstlich achteten sie auf eventuelle Gefahren, nur Gren tat schon erwachsen. Er mochte die plötzliche Unabhängigkeit spüren und genoß sie. Aber noch war Toy es, die die Gruppe führte.
In dem Kokon roch es ein wenig. Lily-Yo fühlte, wie sich ihre Sinne verwirrten. Vor ihren Augen wurde es dämmerig. Sie konnte aber die anderen in ihren Glassärgen immer noch sehen. Flor, Haris, Daphe, Hy und Jury hingen ganz in ihrer Nähe. Die Kinder verschwanden gerade im Blätterdickicht unter der Plattform.
Hoch oben schwebte ein Traverser. Langsam ließ er sich hinab. Er lebte im Blau des Himmels, aber seine Nahrung holte er sich von der Erde.
In der Nähe waren andere. Bewegungslos hingen sie an ihren Tauen. Sie hatten Zeit und kannten keine Hast. Die Sonne gehörte ihnen, bis sie eines Tages zur Nova wurde und sie und
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