Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
Vom Netzwerk:
getan, das ihr angst machen könnte. Was hat sie gesagt?«
    »Sie hat es nie mit vielen Worten ausgedrückt, aber ich merkte es, jedesmal wenn dein Name zur Sprache kam. Dann entwickelte sie diese seltsamen Neigungen.«
    »Ich kann dir nicht folgen«, sagte ich. »Überhaupt nicht. Sie wurde merkwürdig? Sie hatte seltsame Neigungen? Welcher Art? Was war los? Ich verstehe ganz und gar nichts, und ich möchte es gern verstehen.«
    Er stand auf und ging in den hinteren Teil des Ladens, wobei er mir einen Blick zuwarf, als wollte er mich auffordern, ihm zu folgen. Ich tat es.
    Er verlangsamte seine Schritte, als er in die Abteilung mit Büchern über Naturheilverfahren und biologische Landwirtschaft, Kriegskunst, Heilkräuter und Hausgeburten kam, aber er ging daran vorbei bis zur Abteilung mit den harten okkultistischen Themen.
    »Hier«, sagte er. »Sie lieh sich einige von diesen Bänden aus, brachte sie zurück und lieh sich weitere aus.«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Ist das alles? Was soll daran merkwürdig sein?«
    »Aber sie hat sich wirklich hineinvertieft.«
    »Das tun viele Leute.«
    »Laß mich weitererzählen«, fuhr er fort. »Sie fing an, sich mit Theosophie zu befassen, besuchte sogar Zusammenkünfte einer hiesigen Gruppe. Sie hatte ziemlich bald genug davon, doch inzwischen hatte sie einige Leute mit den unterschiedlichsten Verbindungen kennengelernt. Bald war sie mit Sufis, Gurdjiefianem und sogar Schamanen zusammen.«
    »Interessant«, sagte ich. »Kein Yoga?«
    »Kein Yoga. Als ich ihr damals dieselbe Frage stellte, antwortete sie, daß es ihr um Macht gehe, nicht um Samadhi. Jedenfalls machte sie immer seltsamere Bekanntschaften. Die Luft wurde zu dünn für mich, deshalb habe ich Schluß gemacht.«
    »Ich frage mich, was der Grund dafür sein könnte«, sinnierte ich laut.
    »Hier«, sagte er. »Sieh dir das mal an.«
    Er warf mir ein schwarzes Buch zu und trat zurück. Ich fing es auf. Es war ein Exemplar der Bibel. Ich schlug die Impressumseite auf.
    »Hat diese Ausgabe irgend etwas Besonderes an sich?« fragte ich.
    Er seufzte.
    »Nein, tut mir leid.«
    Er nahm sie wieder an sich und stellte sie ins Regal zurück.
    »Moment mal«, sagte er.
    Er ging zur Theke und nahm ein Pappschild aus dem Regal darunter. Darauf stand: komme gleich zurück. wieder geöffnet um, und darunter war das Zifferblatt einer Uhr mit beweglichen Zeigern. Er stellte sie so ein, daß sie auf eine halbe Stunde später als die augenblickliche Zeit zeigte, und hängte das Schild ins Türfenster. Dann schob er den Riegel vor und bedeutete mir mit einer Handbewegung, ihm ins Hinterzimmer zu folgen, in dem sich das Büro befand.
    Die Einrichtung bestand aus einem Schreibtisch, einigen Stühlen und Kartons mit Büchern. Er setzte sich hinter den Schreibtisch und nickte in Richtung des nächststehenden Stuhls. Ich nahm Platz. Dann schaltete er den Anrufbeantworter ein, räumte einen Stapel mit Formularen und Briefen von der Schreibunterlage, öffnete eine Schublade und holte eine Flasche Chianti heraus.
    »Hast du Lust auf ein Glas?« fragte er.
    »Klar. Danke.«
    Er stand auf und trat durch die offenstehende Tür eines kleinen Waschraums. Er nahm zwei Gläser von einem Regalbrett und spülte sie aus. Er kam damit zurück, stellte sie ab, füllte beide und schob eins zu mir hin. Es waren Gläser vom Sheraton.
    »Tut mir leid, daß ich dich mit der Bibel beworfen habe«, sagte er, wobei er sein Glas hob und einen Schluck nahm.
    »Du schienst zu erwarten, daß ich mich in einer Rauchwolke auflöse.«
    Er nickte.
    »Ich bin wirklich überzeugt davon, daß der Grund, warum sie eine gewisse Macht anstrebte, etwas mit dir zu tun hat. Bist du in irgendeiner Form auf dem Okkultismus-Trip?«
    »Nein.«
    »Manchmal hat sie so dahergeredet, als seist du selbst sogar so etwas wie ein übernatürliches Geschöpf.«
    Ich lachte. Mit kurzer Verzögerung lachte auch er.
    »Ich weiß nicht«, sagte er dann. »Es gibt allerlei merkwürdige Dinge auf der Welt. Es kann nicht alles stimmen, aber...«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Wer weiß? Du glaubst also, sie suchte nach irgendeinem System, das ihr die Macht verleihen sollte, sich gegen mich zu verteidigen?«
    »Diesen Eindruck hatte ich.«
    Ich trank einen Schluck Wein.
    »Das ergibt keinen Sinn«, entgegnete ich.
    Doch ich hatte den Satz noch nicht ganz ausgesprochen, da wußte ich, daß wahrscheinlich etwas daran war. Und wenn ich sie dahin gebracht hatte - was immer es war, das sie

Weitere Kostenlose Bücher