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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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zerstört hatte -, dann war ich zum Teil schuld an ihrem Tod. Plötzlich spürte ich zusätzlich zu meinem Schmerz auch noch diese Last.
    »Erzähl die Geschichte zu Ende«, forderte ich ihn auf.
    »Das ist so ziemlich alles«, antwortete er. »Ich hatte die Nase voll von Leuten, die andauernd über kosmischen Mist diskutieren wollten, und machte Schluß.«
    »Das ist alles? Hat sie das richtige System, den richtigen Guru gefunden? Wie ging es weiter?«
    Er nahm einen kräftigen Schluck und sah mich eindringlich an.
    »Ich habe sie wirklich sehr gemocht«, sagte er.
    »Das glaube ich dir gern.«
    »Tarot, Kabbala, Goldene Morgenröte, Wahrsagen... das waren ihre nächsten Schritte.«
    »Blieb sie dabei?«
    »Das weiß ich nicht genau. Aber ich glaube schon. Ich habe erst nach einiger Zeit davon gehört.«
    »Also rituelle Magie?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Wer betreibt so etwas?«
    »Viele Leute.«
    »Ich meine, durch wen ist sie dazu gekommen? Hast du darüber etwas gehört?«
    »Ich glaube, es war Victor Melman.«
    Er sah mich erwartungsvoll an. Ich schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid. Mir sagt der Name nichts.«
    »Ein sonderbarer Mensch«, erklärte er nachdenklich, nahm einen Schluck und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, verschränkte die Hände im Genick und schob die Ellbogen nach vorn. Sein Blick wanderte zu offenen Tür des Waschraums. »Ich habe es von... von einigen Leuten gehört, die zum Teil ziemlich Vertrauenswürdig sind,... daß er wirklich etwas an sich hat, daß er ein Stück von irgend etwas begriffen hat, daß man ihn für so etwas wie einen Erleuchteten hält, einen Eingeweihten, daß er irgendeine Macht besitzt und manchmal ein großartiger Lehrer ist. Aber außerdem hat er diese Ego-Probleme, die anscheinend immer mit so etwas einhergehen. Und das Ganze hat auch eine Schattenseite. Manche behaupten sogar, das sei gar nicht sein richtiger Name, daß er ein Vorstrafenregister habe und daß er eher ein Manson als ein Magus sei. Ich weiß es nicht. Offiziell ist er Maler - und sogar ein ziemlich guter. Seine Sachen verkaufen sich nicht schlecht.«
    »Hast du ihn mal kennengelernt?«
    Eine Pause - dann sagte er: »Ja.«
    »Welchen Eindruck hattest du von ihm?«
    »Ich weiß nicht. Nun... ich bin voreingenommen. Ich kann es wirklich nicht sagen.«
    Ich schwenkte den Wein in meinem Glas herum.
    »Wie kam das?«
    »Ach, ich wollte mal bei ihm lernen. Er hat mich abgewiesen.«
    »Dann warst du also auch auf diesem Trip. Ich dachte...«
    »Ich war auf überhaupt keinem Trip«, fuhr er mich an. »Ich meine, ich habe zu irgendwelchen Zeiten alles mal ausprobiert. Jeder macht diese Phasen durch. Ich wollte mich entwickeln, meinen Horizont erweitern, vorankommen. Wem ging es nicht so? Aber ich habe niemals etwas gefunden.« Er richtete sich aus seiner zusammengesackten Haltung auf und trank einen weiteren Schluck Wein. »Manchmal hatte ich das Gefühl, daß ich dem Ziel nahe war, daß da eine Macht war, eine Vision, die ich beinahe berühren oder sehen konnte. Beinahe. Dann war es vorbei. Das alles ist ein Haufen Mist. Man bescheißt sich selbst. Manchmal dachte ich wirklich, daß ich es geschafft hatte. Dann,
    nachdem ein paar Tage vergangen waren, erkannte ich, daß ich mich nur wieder einmal selbst belogen hatte.«
    »Das war, bevor du Julia kennengelernt hast?«
    Er nickte.
    »Richtig. Vielleicht war es das, was uns für eine Weile zusammenhielt. Ich spreche immer noch gern über diesen ganzen Unsinn, obwohl ich nicht mehr daran glaube. Doch dann kam sie und nahm es fürchterlich ernst, und ich hatte keine Lust, diese ganze Tour noch einmal zu machen.«
    »Ich verstehe.«
    Er leerte sein Glas in einem Zug und füllte es neu.
    »Das alles ist absoluter Humbug«, sagte er. »Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, sich selbst zu belügen, die Dinge zu etwas hinzurationalisieren, das sie nicht sind. Ich glaube, ich war auf der Suche nach Magie, doch es gibt keine echte Magie auf der Welt.«
    »Hast du deswegen mit der Bibel nach mir geworfen?«
    Er schnaubte durch die Nase.
    »Es hätte genausogut der Koran oder die Weden sein können, vermute ich. Es wäre eine saubere Sache gewesen, dich in einem Feuerblitz verschwinden zu sehen. Aber nun geh!«
    Ich lächelte.
    »Wo finde ich Melman?«
    »Ich habe seine Adresse irgendwo hier«, sagte er, senkte den Blick und zog eine Schublade auf. »Hier.«
    Er zog ein kleines Notizbuch heraus und blätterte es durch. Dann schrieb er eine Straße mit Hausnummer auf

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